Horst Friedrich – ein Nachruf
Berlin · 2016 Uwe Topper
Unsere Geschichtsschreibung braucht neue Anstöße
Nachruf auf Dr. Horst Friedrich
Am 25. Dezember 2015 ist der bis in sein hohes Alter von 84 Jahren unermüdlich forschende und schreibende Geschichtskritiker und Katastrophist, unser verehrter Kollege Dr. Horst Friedrich, nach kurzem Leiden nahe seinem Wohnort im Krankenhaus von Landsberg in Bayern gestorben. Diesem für unsere Forschung bedeutsamen Wissenschaftler, der auch in englischer und französischer Sprache bekannt wurde, möchte ich mit den folgenden Zeilen ein kleines Denkmal setzen.
Friedrichs Grundforderung lautete: Für ein vorurteilsfreies Denken, wie es der Wissenschaft unverzichtbar sein sollte, muß ein neuer Zugang gefunden werden, der die Vielfalt der Forschung, auch an unseren Universitäten ermöglicht. Eine ernsthafte Diskussion der Katastrophenereignisse, die aus dem Weltraum kommend die Erde erschüttern, deren Denkbarkeit zum Beispiel der Ingenieur Otto Muck in die Debatte warf, sowie der Umsturz des Zeitbegriffs in der historischen Geologie, den der Münchener Paläontologe Edgar Dacqué einst entwarf, gehören zum mindesten, was wir wieder bekommen müssen.
Friedrich stellte immer dringender die Frage, ob unsere bisherige Geschichtsschreibung (zumindest für gewisse Zeitabschnitte) wirklich den Kriterien der Wissenschaftlichkeit entspricht, oder ob man sie nicht eher, wie einen historischen Roman, zur Belletristik rechnen muß, wobei die vermeintlichen Tatsachen eher zum Sagenschatz gehören. Ein zusammenfassendes Werk, das die Geschichte der Geschichtswissenschaft, also die Entwicklung unseres augenblicklichen Geschichts-Weltbildes, behandelt, sucht man bisher vergeblich.
Pionierarbeiten wie die der neuen Chronologiekritiker sollten darum nicht voreilig als befremdlicher Unsinn abgetan werden. Sie sind im Gegenteil außerordentlich ernst zu nehmen, sagt Friedrich.
Deutlich wird allerdings, daß die neuen Werke, die unser Geschichtsbild in Frage stellen, noch keine brauchbare Geschichtsrekonstruktion liefern. Und das wäre es gerade, was uns eigentlich interessiert. Es wird allerdings notwendig sein, meint Friedrich, daß vor diese zweite Stufe (die Geschichtsrekonstruktion) erst noch eine Vorstufe eingeschaltet wird, in der genauestens zu eruieren wäre, auf welche Weise, durch welche Autoren und in welchen Etappen unser derzeit gemeinhin „geglaubtes“ Geschichts-Weltbild geschaffen wurde. Dringendstes Desiderat ist jetzt eine Entstehungsgeschichte der Geschichtswissenschaft!
Einer der Forschungsschwerpunkte Friedrichs war die Nahtstelle zwischen Vorgeschichte und Geschichte, der Übergang von der schriftlosen zur Schriftkultur. Die einst im atlantischen Westen Europas, von Marokko bis Südskandinavien, existierende Megalith-Zivilisation war offensichtlich über diesen ganzen riesigen Raum greifend einheitlich, sagt er, zumindest auf dem Gebiet der Spiritualität. In diesem Sinne kann man also durchaus von einer “ersten Weltreligion” sprechen (was der vom Rezensenten 1977 aufgebauten „weltweiten Mission“ entspricht, von Friedrich auch zitiert). Wie aus der Positionierung und Anordnung der Megalith-Monumente klar und unbezweifelbar ersichtlich, verfügte diese Zivilisation über ein enormes Wissen auf den Gebieten der Astronomie, Vermessungskunst, Mathematik, Geomantie und “heiliger Geometrie”.
Ein weiterer Schwerpunkt war die Katastrophenvorstellung. Durch folgendes Zitat läßt sich Friedrichs These am besten wiedergeben. In seinem Aufsatz „Ein alternatives Bild der Vorgeschichte“ (in Bipedia Nr. 14, 1997) vermutet er, „dass das von unserer “Eiszeit Scholastik” postulierte – angeblich 1.000.000 Jahre lange – “Grosse Eiszeitalter” in Wirklichkeit maximal ein paar Jahrtausende lang war und uns durch eine Häufung von Impakt- und Erdachsenverlagerungs-Kataklysmen vorgespiegelt wird.“ 1997 hat Friedrich seine Eiszeit-Vorstellung in einem Buch zusammengefaßt: Jahrhundert-Irrtum „Eiszeit“?. Es wurde von Mitstreitern gebührend gefeiert, von Gegnern scharf kritisiert, z.B. von Gunnar Ries (2000).
Neue Ansätze hat Friedrich stets aufgeschlossen, aber kritisch beurteilt. In seiner Besprechung des 2. Buches von Alexander Tollmann (auf der website Atlantisforschung.de am 24.4.2007) stellt Friedrich trotz wohlwollender Beurteilung klar:
„Was selbst-redend nicht besagt, daß ihr (des Ehepaar Tollmanns) Sintflut-Buch schon der Weisheit letzter Schluß ist. Ein solcher ist in den Wissenschaften nämlich kaum je ohne weiteres zu erringen. In sofern bleibt der hochverdiente Neo-Katastrophist Tollmann auch in seinem autobiographischen Werk verblüffend “blauäugig”. Im Sintflut-Buch hatte er den charismatischen Teil-“Vater” des Neo-Katastrophismus, Velikovsky (zweifellos ein beachtlicher Forscher und Gelehrter) S. 213 als “Katastrophen-Journalist” tituliert und S. 445 dessen Szenario einer Planeten- Nahbegegnung als Kataklysmenursache als publikumswirksame Phantasterei hingestellt, hingegen die Tollmann-Kataklysmenanalyse als “durchgeführt im Sinne der fast mit mathematischer Präzision arbeitender Naturwissenschaft” (S. 10), und weil “von der mit exakten naturwissenschaftlichen Methoden arbeitenden Geologie herkommend” (S. 11), als über Kritik erhaben dargestellt. Solches Bramabarsieren hätten die Tollmanns damals schon besser unterlassen. Der Kenner der “Wissenschaft von der Wissenschaft” kann dergleichen nur belächeln. Und damit sind wir wieder bei dem kleinen, aber nicht unwichtigen Kritikpunkt, den man auch beim neuen Tollmann-Buch anbringen muß: Auch hier wird noch viel zu sehr der Eindruck erweckt, als müsse das Tollmann-Szenario nicht nur im Grundsätzlichen, sondern auch in allen Details zutreffend (“gesichert”) sein, einschließlich der geradezu atemberaubend “exakten” Datierungen und dem Zerbrechen des heranrasenden Kometenkerns in genau sieben Fragmente (abgesehen von kleineren Brocken). Bis wir in dieser Hinsicht wirklich Durchblick erlangen und zu auch nur einigermaßen gesicherten Ergebnissen kommen, wird zweifellos noch viel Forscherarbeit und werden noch lange Jahre notwendig sein.“ (Ende des Zitates)
Friedrich war immer offen für ein großes Spektrum von Entwürfen und manchmal auch Spinnereien, ohne skeptisch oder vorsichtig genug zu sein, Fälschungen oder unwahrscheinliche Ausgrabungsergebnisse wie die von Glozel oder Burrows Cave auszusortieren. In dieser Hinsicht verband ihn gleiche Wunschgläubigkeit mit dem zwei Jahrzehnte älteren Kurt Schildmann (1909-2005). Andererseits ist es gerade dieses Geöffnetsein für ungewöhnliche Bereiche, das unsere Forschungswege um spirituelle Einsichten, etwa in Sachen Alchemie und Yoga, erweiterte, die auszuschließen gewiß eine Verarmung bedeuten würde. Noch ist ja nicht erkannt, ob und wieweit etwa planetarische Zusammenhänge auf Metalle oder Pflanzen einwirken und somit jeweils veränderte Kräfte auslösen, deren Kenntnis zwar in der Vergangenheit verbreitet wurde, heute aber meist als „unwissenschaftlich“ bezeichnet und abgetan wird.
Anläßlich der Verleihung des Barry-Fell-Preises 2008 erschien eine Ausgabe des Midwestern Epigraphic Journal (Nr. 22) als Laudatio für Dr. Friedrich, in der neben zahlreichenden Gratulationen auch eine Würdigung durch den Rezensenten abgedruckt wurde.
Einige Schriften von Horst Friedrich:
(1985): Le Graal et l’Enigme de ses Origines Européennes, in: Mediterranea No.19 (Revue dirigée par Jacques Touchet, Carcassonne, Frankreich)
(1987-1989): La Tradition et ses diverses Expressions: Lien ancestral vivifiant des Civilisations méditerranéennes?, in: Mediterranea No.27-33 (Carcassonne)
(1991): Néo-Catastrophisme, Chronologies comprimées et quelques Réflexions relatives au sujet, in: Mediterranea No.44 (Carcassonne, Frankreich)
(1997a): Einer neuen Wissenschaft den Weg bahnen! (Hohenpeißenberg)
(1997b): Jahrhundert-Irrtum “Eiszeit”? (Hohenpeißenberg)
(1997c): Alchemie: was ist das? (Hohenpeißenberg)
(1999): “Zur Notwendigkeit einer Geschichte der Geschichtsschreibung” (Giordano-Bruno-Stiftung, Heft 30)
(1998): Erdkatastrophen und Menschheitsentwicklung – Unser kataklysmisches Urtrauma (Efodon, Hohenpeißenberg, Bayern)
(2001): Did some Worldwide Great Natural Catastrophe Befall Our Planet as late as sometime during the Renaissance?, in: Midwestern Epigraphic Journal (MEJ), 15, pp. 119-122 (USA)
(2007): Velikovsky, Spanuth und die Seevölker-Diskussion: Die Abwanderung atlanto-europäischer Megalith-Völker in den Mittelmeerraum (Neuauflage, Greiz)
(2014): Rezension von Thor Heyerdahl: Tigris (Atlantisforschung.de)
Eine ausführliche Darstellung von Friedrichs Lebensweg und eine umfangreiche Liste seiner Publikationen finden sich auf der Webseite Atlantisforschung.de von Bernhard Beier. Auch in der Karl-May-Forschung ist Friedrich gut bekannt.
Nachtrag:
Zum Tod von Horst Friedrich veröffentlichte der Efodon-Verein in seiner Zweimonatsschrift Synesis einen Beitrag von Friedrich, der in eben dieser Zeitschrift, Heft 3 von 1994 (also vor mehr als zwanzig Jahren) abgedruckt war und in dem der Weitblick von Friedrich bestens dokumentiert ist. http://www.efodon.de/ Heft 1 /2016: Fünf Thesen zur Frühgeschichte, Horst Friedrich +
Siehe auch die ausführliche Würdigung durch Prof. Wilhelm Kaltenstadler