Die heidnische Religion Europas
In zahlreichen Artikeln wurde in dieser Zeitschrift die Entstehung des Christentums aus dem europäischen Heidentum untersucht und eine erneute Erforschung der ursprünglichen europäischen Religionsform angestrebt. In diesem Sinne will der folgende Beitrag einen Anstoß geben, der in eine neue Richtung führt: die iranischen Wurzeln unserer Weltanschauung.
Wenn es um die Anfänge einer Kultur- oder Religionsgemeinschaft geht, glaubt man oft einen ganz exakten Zeitpunkt dafür angeben zu können: die Erleuchtung Siddhartas oder die Bergpredigt Jesu oder die “Flucht” des Propheten Mohammed … Erst bei genauerem Hinsehen entpuppen sich diese Fixpunkte als nachträgliche Mythen, die zwar für die jeweiligen Anhänger dieser Religion felsenfest stehen mögen, von Wissenschaftlern jedoch zumindest hinterfragt werden sollten. In dem neuen Entwurf der Geschichtsrekonstrukteure für die ersten Jahrhunderte nach 1000 AD unserer Zeitrechnung – oder genauer gesagt: für die Zeit vor 700 und mehr Jahren vor heute – haben sich nur einige wenige vage Anhaltspunkte ergeben, die grundsätzlich auf architektonische Überreste beschränkt sind.
Wir stellten uns die Frage: Was bedeuten die Skulpturen und Dachfiguren an den romanischen Kirchen? Welcher Geist spricht aus ihnen?
Als bekanntes Beispiel möchte ich die Abteikirche von Andlau im Elsaß anführen. Bekannt auch, weil Heinz Ritter-Schaumburg (1982) die sagenhaften Heldendarstellungen literaturbezogen deuten konnte.
Da sieht man allerdings recht häufig auch Fabeltiere wie geflügelte Drachen oder Zwitterwesen aus Mensch und Tier, oder erotische Szenen: Kopulation von Menschen mit Tieren oder umgekehrt.
Der Sinn dieser Darstellungen ist uns völlig unbekannt. Es gibt praktisch keine Aufzeichnungen darüber, obgleich derartige Kunstwerke über mehrere Jahrhunderte von Portugal bis Deutschland über ganz West- und Mitteleuropa hinweg ausgeführt wurden, und aus jenen Jahrhunderten auch einige Literatur auf uns gekommen ist.
Die Diskrepanz zwischen dieser uns bekannten Literatur (ich denke an die Scholastik oder die Ritter-Epen) und den angeblich gleichzeitig hergestellten Figuren an Kirchen und Kathedralen reicht, um sich völlig neu umzusehen. Das Problem wurde in unserem Kreis häufig aufgerollt.
In einem Vortrag zeigte Paul C. Martin (in Leonberg 1998) mit einigen Lichtbildern aus der Toskana, dass an den dortigen kleineren Kirchen, den Pieven, dieser heidnisch anmutende Gestaltungswille überraschenderweise noch bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts wirksam war. Man bekommt den Eindruck, dass erst zu jenem Zeitpunkt das katholische Christentum dort Fuß fasste.
Im Dom zu Pesaro an der adriatischen Küste Italiens ist eine weitere Überraschung versteckt (siehe Zarnack, S. 49 ff): Über den geometrischen Fußbodenmosaiken, die offensichtlich einer bilderfeindlichen, das Abstrakte bevorzugenden Weltanschauung (angeblich “Arianismus”) huldigen, liegt eine jüngere Schicht von Mosaiken, die mythologische Szenen wiedergeben: ein Kentaur schießt auf Hirsch und Hindin, Helena steht im Schiff vor Troja, ein Greif kämpft mit einem Eber, ein Fisch verschlingt einen Menschen usw. Leider erlangten wir keinen Einlass in den Dom, der Priester wies uns schroff ab, denn in den Zeitungen war schon manche scharfe Frage über diesen seltsamen Fund gestellt worden. Wo bleibt hier christliche Kunst? Wir fanden ähnliche Mosaikbilder im südlichen Sila-Gebirge, und da liegen sie ebenfalls als Fußboden in einem heute christlichen Kirchengebäude.
Ich möchte sie ins 13. Jh. datieren, aber dann fällt eine ganze Menge leere Zeit in die Versenkung.
Im folgenden Abriss meiner Hypothese will ich keinen lückenlosen Beweis für ihre Richtigkeit führen, nicht einmal die vielen Details aufzählen, die mich zu diesen Gedanken verleitet haben, sondern erst einmal den Entwurf vorstellen. Er sollte darum zunächst als Ganzes erfasst werden, bevor die Diskussion um Einzelheiten einsetzt.
1. Als Künstler gehe ich vom Stil und dem geistigen Ausdruck der architektonischen und plastischen Zeugnisse aus. Ich möchte die Mosaiken und tierhaften Skulpturen in (heute) christlichen Sakralbauten unter dem Begriff “Tierstil” zusammenfassen. Dabei kann ich nur an die Steppe denken, an Innerasien, vom Schwarzen Meer bis zur Mongolei. Hierin wird mir jeder folgen können: dort liegt die Heimat des sogenannten Tierstils. Die verschlungen kämpfenden Tierpaare, deren gelungene Stilisierung nicht mehr erkennen lässt, ob es sich um eine wilde Jagd, einen Fruchtbarkeitsgestus oder ein mystifiziertes Standardmotiv handelt, sind aus der Ökonomie der Viehzüchter- und Jägervölker entsprungen und haben sich nach China, Iran und Europa fortgepflanzt.
2. Die Grundströmung, die von der katholischen Kirche als heidnisch bekämpft wurde, war dualistisch im Sinne der zoroastrischen Lehre. Als Hauptgegner benannte die Kirche (siehe Augustin) den Manichäismus – hier nur ein Sammelbegriff, der auch einfach mit “Häresie”, Ketzerei, gleichgesetzt werden kann. Dasselbe gilt für die andere große monotheistische Religion, den Islam, wo ebenfalls die dualistische Strömung heftig bekämpft wurde (z.B. in der islamischen Theologie des Mhd. Ghazali gegen die Sindiquiyah). Leider wissen wir über die Häretiker des späten Mittelalters nur das Wenige, was uns die Überläufer (auch Augustin war ja einer) durch ihre Anti-Ketzerschriften überlassen haben, eigentlich also Propaganda-Schriften, in denen man mühsam ein paar Körnchen der gegnerischen Lehre herausliest.
3. In soziologischer Hinsicht dürfen wir von einer Rittergesellschaft sprechen, die als die Auftraggeber für alle großen Bauten, auch die Kirchen, verantwortlich war. Nicht Bauern und nicht Händler, sondern Ritter bildeten den höchsten Stand jener Zeit. Sie hatten ihre eigene Lebensform, ihre Ideale und Literatur, ihre Geheimnisse und politischen Ziele. Sie blickten auf eine lange Vergangenheit zurück, die seltsamerweise nicht vom Ritterstand der römischen Kaiserzeit geprägt war, sondern mehr gemeinsam hatte mit dem persischen Adel (der Sassaniden), mit skythischem Nomadentum und türkischem Machtanspruch.
4. Ein weiteres wichtiges Merkmal ist das Aufkommen eines echten Individualismus, der zwar im Gegensatz zu anderen Zeitströmungen stand, sich aber doch gerade damals im west- und mitteleuropäischen Bereich, also im Gebiet des zu untersuchenden romanischen Bildschatzes, durchgesetzt hat und heute fast weltweites Vorbild geworden ist.
Er mag durch wiederbelebte griechische Texte in der Renaissance verstärkt worden sein, hatte seine Wurzeln aber doch nicht bei den alten Griechen, sondern offensichtlich im fahrenden Rittertum selbst, in der Gralsuche und Liebeserhöhung.
5. Wichtig ist auch das ethnische Element, das zwar unglaublich vielgestaltig auftritt, aber doch eben eine neue Variante darstellt: Von den uralischen Völkern, Hunnen und Türken über die germanischen Gruppen iranischer Herkunft (Goten, Alanen) bis zu den “autochthonen” Verbänden (Wenden, Kelten, Iberer, Italiker, Etrusker etc.) sind sehr weit gefächerte Volksgruppen in dieser Lebensform zusammengefasst. Nur das orientalische Element ist schwach vertreten.
Alle genannten geistigen Grundzüge jener Zeit in unserem Lebensraum sind unchristlich und lassen sich auf iranisch-turanische Wurzeln zurückführen. Erwähnt sei noch einmal, dass die einzige griechische Nennung der Germanen (bei Herodot) diesen Stamm im Iran sieht. Auch in unserem Jahrhundert haben mehrere Wissenschaftler mit großem Forschungsaufwand belegt, dass die eigentlichen Wurzeln der europäischen Weltanschauung im Iran liegen. Ich nenne nur einige bekannte Namen wie Eduard Wechssler, Hans Mühlestein oder Giulio Evora, um den Umkreis anzuzeigen.
Dazu möchte ich Oswald Spengler zitieren, der wie kein anderer weitblickend erkannte, was sich “damals” abspielte. In einem Arbeitspapier “Altasien, Aufgaben und Methoden” (postum 1937/1951, S. 105-109) hat Spengler neue Ideen vorgestellt, die von der Forschung beachtet wurden. In seiner Skizze der großen geistesgeschichtlichen Bewegungen bringt er als letztes Ereignis:
“5. Aber nun die gegenläufige Welle: Das chinesische Imperium erweist sich als stärker als das römische. Längs der steinzeitlichen Gräberstraße versuchen die Menschen des Nordkreises in die reichen Welten des Südens vorzubrechen. Die von den Hunnen eingeleitete altaisch-germanische Völkerwanderung, an den Grenzen Chinas abgewiesen, setzt sich nach Westen in Bewegung und durchbricht den Grenzwall der römischen Welt. Eindringen primitiverer Formen und Anschauungen in das Sassanidenreich (schon die Parther?), nach Ostrom, endlich in breiter Welle durch die mit Asiaten gemischten Germanenstämme bis nach Spanien und Marokko. Die Bewegung zum Teil vorbereitet durch die magische Religionspropaganda (Manichäer in Südfrankreich, Montanisten in Nordafrika, Arianer durch die am Don wohnenden Ostgoten nach Italien), Untrennbarkeit germanischer und mittelasiatischer Form in der sogenannten Völkerwanderungskunst, ebenso innere Verwandtschaft des Holzbaues von Skandinavien und Russland bis Nordchina und Korea. Es sind die uralten Formen des Nordkreises.”
Die Bezeichnung “Arianer” ist nur ein Behelfsbegriff, der uns durch die katholische Kirche aufgezwungen wurde. Günter Lüling wies schon darauf hin, dass die Bewegung der Arianer nur einen verschwindend kleinen Anteil an der gesamten weltanschaulichen Neuerung hatte, die seinerzeit Abendland und Orient durchtobte. Umfassender wäre “Manichäer”, denn auch die Moslems bezeichneten ihre Abweichler so: “sindiqiyah”, und deren Hauptpunkt war der Dualismus.
Wir müssen also kurz auf Zarathustras Lehre zurückgreifen, zumindest auf die in der sassanidischen Rittergesellschaft gepflegte “reformierte” Form davon. Der kosmische Kampf der Lichtengel gegen die Dämonen der Finsternis spielt sich in jedem einzelnen Menschen in ähnlicher Weise ab. Dabei kommt dem Individuum eine große Verantwortung zu, denn mit seinen persönlichen Entscheidungen greift er in den kosmischen Kampf ein und hilft mit zum Sieg der einen oder anderen Seite. Ein Nachgeben, eine Fehlentscheidung gegen das Licht, ist nicht nur fatal für den Einzelnen, sondern ebenso für die gesamte Menschheit. Darum darf keiner der Streiter – und jeder ist es ja – schwach werden, weil er dann in diesem weltumspannenden Kampf seine Aufgabe nicht mehr erfüllen kann. Lange Krankheit, Siechtum vor dem Tode etc. sind Schwachpunkte, die vermieden werden müssen. Daraus entspringt eine gewisse geistige und körperliche Hygiene, die auch Euthanasie mit einschloss: Wer zur Entscheidung nicht mehr fähig war, empfing den Tod von eigener Hand oder der seiner nahen Verwandten.
Die enorme Bedeutung des Individuums im kosmischen Aspekt tritt hier klar zutage. Sie ist vermutlich erstmals von Zarathustra in dieser krassen Weise formuliert worden und hat sich in abgeschwächten Formen über ganz Westasien ausgebreitet, wobei auch Griechenland und Israel mitgeprägt wurden. Die eigentlichen Erben dieser persischen Religion waren die Patarener, Bogomilen, Paulikianer, Katharer, Waldenser, Albigenser… – eine Bewegung, die unter verschiedenen Namen und gewiss nicht einheitlich vom 10. bis 14. Jahrhundert über Armenien und Bulgarien flutend Italien, Frankreich und Deutschland erreichte.
Als stärkste und bestorganisierte Mission erwies sich die der Bogomilen (= “Gottesfreunde”), die in Bulgarien um 940 erstarkte und bald den ganzen Balkan und Norditalien (“Patarener”) überzog. Ihnen sehr nahestehend und nur in einzelnen dogmatischen Punkten verschieden waren die Paulikianer aus Byzanz, deren Name allerdings nichts mit Paulus zu tun hat, sondern mit populo = Volk, weshalb sie richtiger auch Publikaner genannt wurden, ein Begriff, mit dem die katholische Kirche später zeitweise einfach alle Ketzer bezeichnete.
Etwa zweihundert Jahre später begann nämlich eine dagegen gerichtete Strömung feste Gestalt anzunehmen: die von Bernhard von Clairvaux 1146 AD gegen den Islam ausgerufene christliche Religion, die sich in den folgenden Generationen als katholische Kirche formierte und später von Frankreich nach Rom übersiedelte. Mit militärischer Gewalt bekämpfte und vernichtete sie die vielgestaltige aber insgesamt eben doch eindeutig fremdartige Weltanschauung iranischer Prägung, die bis ins 12. Jahrhundert die Mehrheit gebildet und die erwähnten romanischen Gebäude erstellt hatte.
Zu diesem Bild müssen wir die verkürzten Zeitmaßstäbe nehmen, die inzwischen als richtig erkannt wurden. Zwar geht es nicht an, genaue Jahreszahlen zu nennen, da ja keine verlässlichen Dokumente vorliegen. Ein Herausschneiden von 297 Jahren aus der bekannten Geschichte würde uns noch immer kein realistisches Bild bescheren. Aber das Zusammenschrumpfen um mindestens drei Jahrhunderte muss einbezogen werden.
Ravenna war die letzte weströmische Hauptstadt während der sogenannten Völkerwanderung. Der Ostgotenherrscher Theoderich d.Gr. ließ sich hier (angeblich um 520 AD) sein Grabmal erbauen, das noch deutlich die Stilmerkmale der Kurgane der Steppe trägt: Ein freistehender Rundbau mit einem enormen Deckstein als Krönung. Man hat das Gewicht des Decksteines auf 400 Tonnen geschätzt; aber auch wenn es weniger sind, ist doch der Aufwand ganz unverhältnismäßig und unrömisch, wenn man bedenkt, dass dieser Stein auf Schiffen von Istrien übers adriatische Meer herangeschafft worden sein soll. Das Gebäude selbst war fast völlig schmucklos. Die wenigen Kreuze können leicht als spätere Fälschungen enttarnt werden, wobei man die beachtliche Mühe erwähnen sollte, die bei einem der Kreuze aufgewandt wurde, um die Täuschung so perfekt wie möglich wirken zu lassen: Man hat (vielleicht im 16. Jahrhundert) einen wichtigen Stein aus einer Wand herausgebrochen und durch einen anderen mit reliefartigem Kreuz ersetzt. Der Betrug fällt erst in jüngerer Zeit auf, da sich beim Senken des Bauwerks hier ein Riss gebildet hat, während die sonst einheitlichen übrigen Wände den Druck gut ausgehalten haben.
Alle in jene frühen Jahrhunderte gotischer Herrschaft (“6. Jh.”) datierten katholischen Kirchen Ravennas – wie auch die “Taufkirche der Arianer” – sind nicht vor dem 12. Jh. erbaut worden, ihre Mosaiken, die meist als Beweis für das hohe Alter angeführt werden, wurden zwar vielfach renoviert und neugestaltet, gehen jedoch m.E. nirgendwo auf die Zeit vor 1100 zurück. Durch Vergleiche mit anderen italienischen Kirchenmosaiken, besonders in Palermo auf Sizilien, ist eine derartige Aussage schlüssig nachzuweisen.
Auch die Schwaben (Suevos) und Westgoten (Visigodos) der Iberischen Halbinsel beginnen nicht bei ihrer angeblichen Katholisierung im 7. Jahrhundert mit Kirchenbau, sondern haben Thronsäle hinterlassen, die erst etwa ab dem 12. Jahrhundert – vermutlich später – in Kirchen umgewandelt wurden.
Die Kirche von Sta. Maria de Lebeña in Asturien, nach einheimischer Tradition im 11. Jahrhundert geweiht, hat noch einen Altarstein mit heidnischen Symbolen, der auch später nicht künstlich christianisiert wurde (Abb. in Topper 1999, S. 152).
Für die anfangs erwähnten Dachfiguren, Sims- und Sockelgestalten im heidnischen Stil, die teilweise noch an gotischen Kathedralen auffallen, können wir festlegen, dass eine radikale Christianisierung in gewissen Gegenden bis zum 15. Jahrhundert nicht erfolgt ist.
Beachten wir die Zeitkürzung um drei Jahrhunderte, dann bleiben zwischen Theoderichs Grabmal und der Bogomilenbewegung kaum 120 Jahre. Und selbst das scheint mir noch viel, wenn der ganze Entwurf vorgestellt ist:
Für die Entwicklung des Rittertums, die Ausprägung des dualistischen Glaubens und die Entstehung der romanischen Kirchen können wir etwa drei Jahrhunderte ansetzen. Die Sassanidenherrschaft ging gegen “650” zu Ende (das wäre also etwa umgerechnet 950 oder besser gesagt vor 1050 Jahren; das vermutliche Auftreten Bogomils in Bulgarien wird mit “940” angesetzt). Spätestens von diesem Moment an haben wir das Ausströmen der iranischen Lehre, die durch Flüchtlinge nach Indien, China, Zentralasien und Westeuropa gebracht wurde.
Der Weg nach Westen erfolgte in zweifacher Weise: nördlich des Schwarzen Meeres entlang auf den Balkan und von hier donauaufwärts durch Turkvölker und Bulgaren; und über Armenien und Byzanz durch Thrakien und Dalmatien nach Oberitalien und Südfrankreich. Beide Wellen begegneten sich, erkannten sich als wesensgleich und verstärkten sich. Ihre gemeinsamen Merkmale waren Individualismus, Rittertum und demokratische Formen des Gemeinschaftslebens. Ihre künstlerischen Ausdrucksformen sind von Tierstil und verschlungenen Mustern gekennzeichnet, die auch nach Irland und Skandinavien ausstrahlten, wo sie eine eigene Blüte erlebten.
.Interessant ist nun das Wechselspiel dieser iranischen Geisteströmung mit den schon vorher vorhandenen religiösen Formen. Zunächst einmal können wir annehmen, dass die “germanischen” Völker durch ihre lange Tradition im iranischen Einflussbereich schon im Steppengebiet eine eigene Verschmelzung geschaffen hatten, weshalb eine direkte Ableitung des romanischen Tierstils aus den sassanidischen Kunstwerken schwerfallen wird. Die zentralasiatische Komponente ist durchschlagend in vieler Hinsicht.
Das fällt auch an den Grundrissen der ersten romanischen Kirchen auf, etwa an Sankt Maria im Kapitol in Köln, an der Karlskirche in Aachen, selbst an der Hagia Sophia in Byzanz: Rundbauten, wie sie aus dem Kult-Zelt und dem Kurgan entwickelt sind, grundverschieden von den Rechtecktempeln des Mittelmeers, die aus dem hölzernen Langhaus entstanden waren.
In der Literatur dürften der Gralsroman, die Arthur-Legende, das Rolandslied usw. den Typ am besten verkörpern, der vom fahrenden Ritter auf seinem Weg nach Westen – der Sonne folgend – geschaffen wurde. Vorbild müssen in vieler Hinsicht die zahlreichen iranischen Heldenlieder gewesen sein, deren letzte und vollendetste Ausprägung das Schahname von Firdosi darstellt.
Literatur
Evola, Julius (1955): Mysterium des Grals (München)
Geise, Gernot L. (2000): Der Teufel und die Hölle: historisch nachweisbar (EFODON DO-44)
Hunke, Sigrid (1998): Europas eigene Religion (2. Aufl., Tübingen)
Lüling, Günter (1985): Sprache und archaisches Denken (Erlangen)
Mühlestein, Hans (1957): Die verhüllten Götter (Wien)
Müller, Angelika (1997): Wer sind die Heiligen Michael und Georg? (ZS 3/97, S. 369-385)
Riemer, Thomas (1997): Der Teufel – ein ehemals ehrbarer Berufsstand (EFODON DO-23)
Ritter-Schaumburg, Heinz (1982): Dietrich von Bern, König zu Bonn (München)
Spengler, Oswald (1937/1951): Reden und Aufsätze (3. Aufl., München)
Topper, Uwe (1988): Wiedergeburt. Das Wissen der Völker (Reinbek)
(1998): Die “Große Aktion” (Tübingen)
(1999): Erfundene Geschichte (München)
Wechssler, Eduard (1936/1947): Hellas im Evangelium (Berlin/Hamburg)
Zarnack, Wolfram (2000): Der Ursprung des christlichen Kreuzes im heidnischen Mal (Vortrag; Selbstverlag Göttingen)
Dieser Beitrag wurde in der Zeitschrift Efodon-Synesis Nº 2/2001 veröffentlicht.
Abbildungen
Fotos: © Uwe Topper | Zeichnungen (nach Raymonde Bianchi und Elisabeth Reeb, Andlau)