Der Teppich von Bayeux
Der Raum in dem prächtigen Museum von Bayeux, in dem der Teppich ausgestellt ist, wird absichtlich dunkel gehalten, damit die Farben nicht ausbleichen. Wenn die Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt haben, kann man dennoch die feine Stickerei genau untersuchen und muß feststellen, daß das propagierte Datum (zwischen 1066 AD und 1082 AD) nicht stimmen kann.
Schon beim ersten Betrachten des Teppichs von Bayeux fällt einem auf, daß er in mindestens zwei Arbeitsgängen hergestellt wurde. Vom Gebrauch der Nadel her, von den verwendeten Farben und von der Fähigkeit des Ausführenden ergibt sich, daß einem älteren bilderreichen und bunten Teppich später in schwarzem Garn gestickte Schriftzeilen und Hände usw. eingefügt wurden. Da diese zweifache Schichtung, die für jeden Künstler und Handwerker offensichtlich ist, von den offiziellen Hütern und Interpreten dieses kostbaren Meisterstücks nicht erwähnt sondern ausdrücklich verneint wird, kann ich nur annehmen, daß ideologische Absicht für die Verdunkelung vorliegt.
Wie lange der Zeitabstand zwischen den beiden Arbeitsstufen war, läßt sich nicht erkennen, er dürfte aber erheblich sein, da ein weltanschaulicher Bruch dazwischen liegt. Das Latein der Schriftleisten ist viel jünger als die Gesamtkonzeption. Es erklärt die Bilder teilweise in einem anderen Sinn, als diese gemeint waren. Diese Bilder zeigen nämlich ein weitgehend vorchristliches Heidentum, der Text dagegen ist eine kirchenkonforme Umdeutung der Bilder.
Die heidnischen Sinnbilder kommen nicht nur auf der oberen und unteren Randleiste in Gestalt von Monstern und Tiergöttern vor, sondern auch auf dem breiten Mittelteil. Es ist ein ausgeprägtes Bestiarium (mythische Tierfiguren), dazu Lilien in der Form der Irminsul. Aber Kreuze sieht man nur auf dem Sarg von König Eduard, sie sind byzantinisch oder irisch (siehe Bild oben) Dagegen hat die Kirche (“Westminster”) keine Kreuze auf Dach oder Türmen, sondern einen stilisierten Drachenkopf am Chor. Auch die Schiffe zeigen Drachenköpfe, und selbst wenn das archaisierend sein sollte, so ist es doch bezeichnend für den Geist des Schöpfers dieser Bilder.
Der Widerspruch zwischen den beiden Stilelementen fällt ins Auge.
Die Eintrittskarte zeigt einen wichtigen Ausschnitt des Teppichs: den Bischof beim “Abendmahl”, das aber eher ein festliches Mahl ist, bei dem gezecht wird. Nur der lateinische Text darüber suggeriert den christlichen Kult: ET.hIC.EPISCOPVS.CIBV.ET.POTV:BENEDICIT.
(“und hier segnet der Aufseher Brot und Trank”
Eine Möglichkeit zum Bestimmen des Zeitpunkts des Teppichs könnte die Beachtung der Standarten sein: die Standarten der ANGLI sehen zwar seltsam nordisch aus, auch archaisch mit ihren Zipfeln, dürften aber einem historischen Augenblick zugehören, der bestimmbar sein müßte. Holzschnitte aus dem Elsaß und der Schweiz Ende des 15. Jh. zeigen ähnliche Standarten der Angli.
Einige neu entdeckte Wandmalereien auf Holzbalken in französischen Wohnhäusern, die ins frühe 14. Jh. datiert werden, sind sehr ähnlich im Stil wie die Zeichnungen auf dem Teppich.
Das vorgegebene Datum für die Entstehung des Teppichs wenige Jahre nach der Schlacht, um 1070 AD, ist unhaltbar. Erstmals erwähnt wird der berühmte Teppich von 70 Meter Länge, Wallfahrtsziel für unzählige Menschen, 1476. Das könnte der Zeitpunkt nach der Fertigstellung der Umgestaltung und Zufügung des lateinischen Textes sein.
Zumindest sollte auffallen, daß ein so berühmtes Kunstwerk, das viele Pilger anzog, doch eher erwähnt oder beschrieben worden sein müßte, wenn es schon existiert hätte.