ZS Zeitensprünge 1/2017
Inzwischen ist das Heft 1/2017 der Zeitensprünge von Heribert Illig herausgekommen, einen Monat früher als zu erwarten gewesen wäre, wie Illig schreibt, und auch mit bissigen Hinweisen auf aktuelle politische Themen, was bisher selten der Fall war.
Sowohl die frühe Besiedlung Amerikas als auch die Goldherstellung in frühgeschichtlicher Zeit sind Kernpunkte des Heftes, kompetent besprochen und mit neuesten Erkenntnissen angereichert. Mich hat dabei besonders die Diskussion um die Fälschung goldhaltiger Funde der Bronzezeit angezogen, und ganz speziell die um die Echtheit der Nebra-Scheibe. Man wird sich erinnern, daß ich seinerzeit, als der Fund dieser komischen Scheibe bekannt gemacht wurde, zu den ersten gehörte, die „Fälschung“ schrien, und das nie widerrufen habe, nicht nur gegen härteste naturwissenschaftliche Aussagen sondern auch gegen die entsetzten oder zumindest enttäuschten Kollegen, die diese Himmelsscheibe als den ultimativen Beweis für die hohe astronomische Wissenschaft der Bronzeleute in Thüringen und zum kostbarsten erklärten, das je in unseren Breiten gefunden wurde. Dem kritisch referierenden Illig kommen nun wohl auch Bedenken, er äußert seine Meinung nicht explizit, konzentriert sich auch auf die wohl längst geklärte Erkenntnis, daß der Fundzusammenhang des „Hortes“ zweifelhaft ist, daß also die mit der Scheibe gefundenen Schwerter usw. nicht dazugehören, weder zeitlich noch handwerklich. Über das Gold auf der Scheibe wird nun kontrovers berichtet, seine Herkunft wird wohl noch einige Male wechseln, je besser die naturwissenschaftlichen Methoden voranentwickelt werden. Daraus allein kann gewiß keine Entscheidung über echt oder gefälscht getroffen werden, die dürfte vorläufig weiterhin nur über die Aussage auf der Scheibe selbst möglich sein, also aus inhaltlichen Gründen, wie schon Joseph Aschbach 1868 prinzipiell zeigte: Materialien und Formen können von Fälschern immer besser hergestellt werden als von den Fachleuten (sonst wären sie keine Fälschungen sondern Unfug), eine Sichtung kann nur aufgrund der inhaltlichen Aussage getroffen werden. Und die ist bei der Dekoration der Scheibe von Nebra meines Erachtens dermaßen dumm, daß es jeder sehen müßte. Stattdessen werden die größten mathematisch-astronomischen Geheimnisse darin gefunden, die jeden modernen Astrologen erblassen lassen. Und Astronomen eigentlich nur zum mitleidigen Lächeln bringen: der Halbmond steht verkehrt herum, die Plejaden sahen auch in der Frühgeschichte nicht so aus, geschweige denn heute; die geografische Breite des Fundortes kann man in jeder beliebigen Zeichnung finden, in der es keinen definierten Nullpunkt gibt, usw.
Warum wurden vor dem Reinigen der Scheibe durch die Archäologen, die in der Ausstellung von Nürnberg (wo allerdings anstelle der Scheibe nur eine Nachahmung gezeigt wurde, schade ums Eintrittsgeld) noch behauptet wurde, nicht Proben der Verunreinigungen genommen? Unreinheiten wurden untersucht, nämlich ein Zehntelgramm des Bodens, hauptsächlich Sand, der der Scheibe noch anhaftete. A bissel wenig: 0,1 g.
Solche Feinheiten bringt Illig zur Sprache, wie er es schon 2014 brachte: “Das Alter (der Scheibe) wurde mittels C14 aus 0.6 mg Kohlenstoff … bestimmt.” Er stammte allerdings von einem der “Beifunde”, die ja ganz sicher anderer Herkunft sind. (Siehe meine Besprechung der ZS 3/2014).
Gegen die Behauptung, die Scheibe von Nebra sei eine moderne Fälschung, hat Ernst Pernicka sein ganze Gewicht als Fachmann aufgeboten, dagegen den Fund von Bernstorf als Fälschung entlarvt. (“Von Anfang an” hatte schon ein Archäologe mit 35 Jahren Erfahrung, Stefan Winghart, den Bernstorfer Goldfund als Fälschung erklärt.) Nach Illigs Rezension der entsprechenden Behauptungen sieht es nun so aus, als wäre es eher umgekehrt! Ob es sich hier um einen reflexiven Vorgang handelt, wie bei Kindern: eine Hand haut die andere?
Aus den Argumenten kann man etwas lernen: eine Datierung von frühgeschichtlichen Gegenständen ist so ungewiß wie immer, die Naturwissenschaftler haben nur Hilfestellungen bereit, eine Entscheidung können sie nicht treffen. So bleibt eben doch nur die Inhaltsprüfung, und die bringt in beiden Fällen keine ermutigenden Ergebnisse. Für mich steht weiterhin fest: Die Scheibe von Nebra ist eine plumpe Fälschung.
Von den weiteren Aufsätzen in diesem Heft kann ich der Kürze halber nur einige erwähnen. Weiterführend in unserer Forschung ist Illigs Besprechung des Buches von Antonio Foresti (1625-1692), „Die Leben derer Königen in Dännemarck und Norwegen“, dem Illig als Ergebnis „Zwei Jahrtausende erfunden“ in der Überschrift zuteilt. Allerdings vergleicht er stets mit den heute gängigen Vorstellungen alter Geschichte, wie sie in wiki reflektiert wird. Ob das noch lange als Maßstag dienen kann? Der Weg, wie der „heutige Forschungsstand“ der Geschichte Skandinaviens (und der übrigen Welt) zustandekam, wird nämlich durch Illig gerade am Beispiel Foresti gezeigt: Es handelt sich nicht um „frommen Betrug“ sondern um „ehrgeizigen Betrug“, sagt Illig; „es wird überdeutlich, dass nationales Selbstwertgefühl unbedingt uralte Wurzeln benötigt.“ Ein schönes Lehrstück aller Spielarten von Thubalismus (dem Topper 1977 auf den Leim ging im angehängten Kap. 22, / korr. 1998 S. 77 ff), der dennoch in vielen Historien noch wilde Blüten treibt! Jahrtausende mit wunderbaren Königen und Helden wurden aus dem Ärmel geschüttelt, immer wieder ausgeschmückt oder ausgeschieden (je nach Bedarf), mit anderen Geschichtssträngen verknüpft zu einem festen Netz, das dann so unzerreißbar wurde, daß es bis heute weiterwächst, auch wenn die Vorgänge der Erfindung – hier im 17. Jh., aber schon seit Tritthemius und noch bei Schmeller und Hanka im 19. Jh. – inzwischen längst bekannt sind. Die skandinavische Lücke in dieser Aufdeckung wurde nun hiermit durch Illig geschlossen, kaum neun Seiten, die es in sich haben.
Der Streit um die Entstehung des Christentums, den Illig mit Atwill und Weber unter Berücksichtigung von Carotta in diesem Heft breit fortführt, mag für Agnostiker amüsant sein; er wäre allerdings im 19. Jh. aktuell gewesen und ödet dermaßen an, daß man nur drüberfliegen möchte, denn wesentlich neue Hinweise kommen nicht heraus. Statt dessen wird wiedermal alter Wein in alte Schläuche gefüllt, daraus wird eher Essig.
Sinnentstellende Flüchtigkeitsfehler (zweimal David statt Daniel usw.) kommen leider auch wieder vor, Illig leistet eben Titanenarbeit.
Uwe Topper im Mai 2017
Nachtrag zu ZS 1/2017:
Leider beim ersten Lesen übergangen, da die Besprechung eines schwachsinnigen Buches durch Robert Soisson mich wohl vom Weiterlesen abhielt: Er hat anschließend auch ein vor einigen Jahren erschienenes Buch von François de Sarre rezensiert, und das nicht unbedingt abfällig, wenn auch ablehnend: Mais où est donc passé le Moyen Age? Le récentisme (Hades, Rouen 2013).
Soisson weist darauf hin (S. 149), daß Sarre in den 90-er Jahren Kontakt zu Horst Friedrich, Heribert Illig und Uwe Topper hatte. Stimmt, ich habe für besagtes Buch im Mai 2005 mehrere Tage lang in Sarres Wohnung in Nizza Korrektur gelesen. Kontakt also nicht nur in den 90-er Jahren, Zusammenarbeit wäre genauer, wie man auf unserer Webseite lesen kann: Francois de Sarre ist hier seit vielen Jahren unter “Mitarbeiter” geführt.
Das Buch erschien aus rätselhaften Gründen dann doch nicht sondern acht Jahre später in einem anderen Verlag. In der Zwischenzeit hat Sarre noch einiges am Inhalt feilen können. Hier die französische Version von 2006 im Format pdf.
Nun wieder Soisson: “Im Unterschied zu Illig vertritt de Sarre vehement die These, dass es einen Zeitensprung von ca. 1000 Jahren gibt, inspiriert in dieser Hinsicht von Fomenko und Topper.” Von Fomenko wohl nur indirekt, denn Fomenko hat das in dieser Weise nicht behauptet, er sprach von Verschiebungen der Geschichtsschreibung, wo auch eine Spanne von über 1000 Jahren vorkommt. Nicht “Sprung”.
Die weitere Besprechung durch Soisson ist durchaus lesbar und akzeptabel, etwa: “Illig wird gewissenhaftes, methodisch korrektes Vorgehen bescheinigt.”
“Allerdings hält Sarre es “eher mit Topper, Gabowitsch, Pfister und anderen mehr.” Stimmt.
Man muß nicht mit allem, was Soisson kritisiert, einverstanden sein, aber der Schluß versöhnt: “Fazit: Positiv ist, dass in Frankreich das Thema Chronologie thematisiert wird.”
Wie wir ja auch schon hier feststellten: Chronologiekritik im Westen angekommen.