ZS Besprechung des neuen Heftes der “Zeitensprünge” (2/2017)
Zwei Beiträge dieses Heftes fand ich besonders bemerkenswert:
Brooks, Nicholas (1986, Antrittsvorlesung in Birmingham, gedruckt 1998 in “Anglo-Saxon Myths” (Hambledon Press, London), übers. von Birgit Liesching, S. 258-276 : „Geschichte und Mythos, Fälschung und Wahrheit“.
Die von Birgit Liesching übersetzte Antrittsvorlesung von Nicholas Brooks vor 31 Jahren, bringt einige Überraschungen, aber leider keine Erklärung für diese normannischen Geschichtserfindungen: wer hat sie nun eigentlich ausgedacht und wann?
In dieser Vorlesung geht es direkt zur Sache: Mythen gehören zum Geschäft der Geschichtsschreibung, und sie haben eine eigene Wirklichkeitsform, die oft auch als Fälschung oder Lüge angesehen werden kann. Da ist vom normannischen Mythos die Rede, wobei sich herausstellt, daß der englische Begriff “myth” nicht deckungsgleich mit unserem Wort Mythos oder Mythus ist. Im Englischen wird darunter eine eher schwammige, geschichtlich nicht nachprüfbare Story verstanden, während das Wort bei uns einen altmodischen, aber keineswegs abfälligen Klang hat: Sage aus ferner Zeit, Legende, sogar Sinnbild religiösen Inhalts.
Ein Beispiel von Brooks:
„Wenn wir der Evidenz des Wandteppichs von Bayeux trauen dürfen…“, und das meint Brooks in diesem Fall verantworten zu können, obgleich die Veränderungen durch die Restaurierung Anlaß zu Zweifeln gaben, die aber beseitigt wurden. … dann trugen die Normannen einen ganz eigenartigen Haarschnitt, nämlich von Ohr zu Ohr über den Scheitel das Hinterhaupt rasiert. Was sollte das bewirken? Und wo haben wir weitere Hinweise auf diese Besonderheit?
Das erinnert an den Haarknoten der Sueben, der selbst bei einer Statue eines Prinzen im alten Ägypten noch die schwäbische Herkunft verrät, oder den alttestamentarischen Ausdruck für gewisse Heiden: „die das Haar hinten gerade abschneiden“ (also Reiterkrieger wie Pathan oder Kosaken).
Brooks meint jedenfalls, daß es zur Identitätsschöpfung zweckdienlich war, eine besondere Haartracht zur Schau zu stellen; aber diese nordmännische Identität ist ja eine literarische Fiktion, wie er hervorhebt. Der Teppich dann auch? Meine Zweifel an der Datierung des Teppichs waren da noch harmlos, sie betrafen nur die 400 Jahre zwischen angeblicher Herstellung (um 1070) und Bekanntwerden des Teppichs, um 1470. (siehe hier: Teppich von Bayeux)
Brooks zweifelt aber nicht generell an Darstellungen auf dem Teppich (siehe oben). Nicht alles muß ausgedacht sein, einiges kann auch reale Hintergründe haben.
Dagegen werden der Runenstein von Kensington und die Vinlandkarte durch Brooks klipp und klar als Fälschungen bezeichnet, was der Schreiber der Erläuterungen (ich nehme an: Heribert Illig) abschwächt; die Wikingerpriorität in Nordamerika sei gesichert, und die Echtheit der Vinlandkarte sei unverändert strittig (was ich nach Betrachten der Vinlandkarte für unmöglich halte, dermaßen stümperhaft gefälscht ist sie). Brooks stellt Barry Fell zum “irre(n) Rand der Archäologie und der Geschichte”, wobei auch E. v. Däniken genannt wird. In Illigs Kommentar wird aber nicht gesagt, ob das Urteil über Fell berechtigt sei; er verweist nur auf “wiki”, was bei der kritischen Meinung, die Illig zuweilen gegen das Monster “wiki” vorbringt, nichts Gutes verheißt. Ist Fell damit rehabilitiert?
Und hier nun ein anderer “irrer Rand” der Forschung, die Ley-Lines oder mystischen Linien, die vorgeschichtliche Bauten verbinden: “Von Apoll zum hl. Michael – über 4.000 km. Eine Rätsellinie.” (S. 302-318)
Von Heft 1-1997 an (bis 1-2004) hat Peter Amann (Pseudonym) die keltischen Kalender in der Landschaft in Form astronomischer Visurlinien in Süddeutschland schrittweise hier vorgestellt und gar manchen zum Grübeln gebracht, aber – soweit ich feststellen konnte – doch weitgehend nur Schweigen geerntet. Er war durch einen Zeitungsartikel von 1991 darauf gekommen und fand später heraus, daß Walter Eichin vermutlich der erste war, dem 1953 diese seltsame Entdeckung gelang: Gewisse Berge im alemannischen Raum stehen derart günstig, daß man durch Verbindung der Kuppen ein Liniennetz über das Land werfen kann, das sowohl die Sonnenwenden als auch die Mondwenden, sogar die Große und Kleine Mondwende im selben System, anzeigt. Das ist dermaßen überraschend, daß einem beim ersten Hineinlesen ein Schauer über den Rücken läuft. Die Berge stehen dort seit Urzeiten und doch so genau an der richtigen Stelle, daß es kein Zufall sein wird.
Nehmen wir die drei Kaiserberge (Fotos siehe hier): Hohenstaufen, Stuifen und zwischen den beiden der Rechberg. Sie sind wahrlich nicht klein, sondern ragen als höchste Erhebungen weit über das Land, sind auch sonst berühmt. Auf einem christlichen Altarbild aus dem 16. Jh. sah ich sie schon.
Amann stellt fest: die drei Berge gehören zu einem solchen Liniensystem! Sie sind vom Teckberg 25 und 31 km entfernt. Von hier aus geht die Visurlinie der Nördlichen Großen Mondwende genau auf den Staufen, die Nördliche Kleine Mondlinie auf den Stuifen (die beiden Berge liegen übrigens auf genauer Ost-Westlinie), und mitten dazwischen läuft die Linie des Sonnenaufgangs im Mittsommer genau auf den Rechberg zu. Der Gelbe Fels auf dem Teck müßte von Menschenhand zu diesem Zweck dorthin gesetzt worden sein. Amann hat noch einige zusätzliche erstaunliche Informationen herausgefunden, nämlich daß auf diesen Linien häufig auch Keltenschanzen (“Licht-Meßhöfe”) liegen, alte Oppida, Kirchen oder Kapellen, Burgen oder sogar Naturformationen wie Bergkuppen, einen Vulkanschlot, das Rheinknie bei Basel und ähnliches. Manchmal folgen sie auch alten Wegen, was nur zu verständlich ist, wenn sie in der Frühzeit zu diesem Zweck angelegt wurden. Ach, fast hätte ich es vergessen: diese Kalendersysteme der Alemannen müssen seit uralter Zeit im Bewußtsein der Bevölkerung verankert sein, die Berge tragen sprechende Namen. Da gibt es ein System, wo alle Sonnenvisur-Berge Belchen (frz. Ballon) heißen, ein anderes, wo die Mondvisur-Berge als Blauen bekannt sind. Und Staufen oder Stuifen (anderswo auch Stuben) weist auf Stufen(berge) hin.
Zu diesen Ideen, die ein großes Umfeld haben, hielt ich 2007 einen Vortrag in Potsdam, der im Internet erhalten ist:
SY8122 Topper – Himmel auf Erden 10 S.indd – Efodon. Ich empfehle, diesen zuerst zu lesen.
Die Wiederlektüre erfolgt aus gegebenem Anlaß, nämlich angeregt durch den Beitrag von Heribert Illig im neuen ZS 2-2017. Er hat ein 50 Jahre altes Schriftwerk eines Franzosen, Jean Richer, und damit ein weiteres Stück Liniengeschichte hervorgeholt. Hier gehen die schnurgeraden Linien von der Südspitze Irlands bis ins Heilige Land und verbinden auffällige Heiligtümer, die Apollon oder Michael geweiht waren (und sind) und meist auf herausragenden Bergen, Inseln oder sonstwie natürlichen Punkten stehen. Schier unvorstellbar!
Es gibt statistische Untersuchungen (Stolla/Bischof), die eine Zufälligkeit für das Vermessungssystem in der Steiermark mit 1:800.000 angeben. Ist das schon genug, um Zufall auszuschließen?
Das Problem liegt für mich an anderer Stelle: Wenn die Liniensysteme angelegt wurden, dann fragt sich: WANN geschah das? Wie müssen wir uns das kulturelle Umfeld derartig großräumiger Anlagen denken?
Erstaunlicherweise ist das von Amann in Süddeutschland gefundene nur eins von einer ganzen Reihe von Kalendersystemen. Und mehr als ein Dutzend anderer Systeme überzieht ganz Europa und das Mittelmeer.
Illig (S. 310) bespricht anschließend an Richer auch die beiden Aufsätze in Zeitensprünge von Hans-E. Korth von 2005, vor 12 (nicht 14) Jahren, die Illig zunächst unterstützt hatte (S. 311). Allerdings war ein geplanter dritter Teil nicht mehr eingereicht worden, wie wir nun erfahren. Schon im ersten Teil waren einige Unklarheiten zu vermerken. In meiner Besprechung ZS 1-2005 ging es nicht nur um die Unwahrscheinlichkeit dieses Mont-Blanc-Systems, sondern auch um die Erklärung, die Korth entwarf: Es handle sich um Orientierungslinien für Handelswege, was wohl ausscheidet, selbst wenn so ein unerklärliches Zusammentreffen von drei alten Wegen im Raum Stuttgart mit einer Belchen-Visurlinie schon am Anfang steht und dem Ganzen seinen Rückhalt gibt (2005, Abb. 1).
Wenn die Linie des Sonnenaufgangs an Winterwende eine derart wichtige Stellung einnimmt, dann mag das für den jeweiligen Ort durchaus nachvollziehbar sein: Jeder wollte gern den Tag des tiefsten Sonnenstands genau wissen. Eine Tagereise weiter südöstlich auf dieser selben Linie müßte dann wieder eine neue Blickrichtung vermerkt werden, denn je näher wir dem Wendekreis kommen, desto mehr biegt unsere Linie nach Osten ab. Sie beschreibt eigentlich eine spiralförmige Kurve, und dann ist es wieder nichts mit der Orientierung im Gelände, denn meine Visur ist keine Gerade – Grundbedingung bei Korth – sondern bringt mich schließlich in eine ganz andere Richtung, jedenfalls nicht nach Griechenland oder gar ins Heilige Land.
Ich marschiere übrigens lieber am Berghang entlang statt über den Gipfel und vermeide Sümpfe, überquere Flüsse an Furten und nächtige in Rasthäusern, wenn ich als Bronzehändler oder Megalith-Lehrer unterwegs bin. Der Sonnenaufgang an einem bestimmten Tag im Jahr ist mir keine Hilfe. Mal ganz abgesehen von der unermeßlichen Anstrengung, derartige Linien in der Landschaft über Hunderte, ja Tausende von Kilometern zu markieren.
Bei Richer ging es um Jahrestage oder -abschnitte, es werden die Zodiakbilder in die Deutung einbezogen, was meiner Meinung nach gar keinen Sinn macht. Es kommt sogar der Begriff Astrologie vor, und das ist wohl jenseits der Diskussionsmöglichkeit. Die beiden Bücher von Richer fand ich zitiert bei Doumayrou (1975, S. 10 u. 64), den ich 2002 in die Diskussion eingeführt hatte, weil er schon so früh in schlüssiger Weise die unerklärlichen Linien erforscht hatte. Der Anlaß, ihn damals zu zitieren, war für mich jenes abschreckende Gefühl: Wenn so viele Liniensysteme möglich sind – es standen ein Dutzend verschiedene zur Verfügung, heute sind es noch mehr – dann müssen bei einigen von ihnen schwerwiegende Fehlschlüsse vorliegen. Von Festers um 9,5° gegen die Nordrichtung verschobenen Gitter über die Sternenstraßen von Kaminski 1995 bis zum verzerrten “Bodenhimmel” von Thiele und Knorr 2003 waren zu viele Linien auf dem Brett, die alle ihre Befürworter hatten und Berechtigung verlangten. Die mehrere tausend Kilometer überspannende Linie vom Herzen Deutschlands bis zum Apollontempel auf Delos hatte Machalett 1970 eingeführt. Ein griechisches Vermessungssystem, das die Tennen auf den Bergen verbindet, besprach Rogowsky 1973 …
Die Idee ist älter. Zu den frühesten Entdeckern zählt wohl der Polizeibeamte Xavier Guichart, dessen Alaise-System auf Ortsnamen gegründet war und kaum ernstgenommen wurde (Ausnahme: René Guénon). Er begann bereits 1911 mit seiner Erforschung der Linien (Meier u. Zschweigert 1997, bes. Kap. 14d). Neuerdings hat Preben Hansson in Dänemark weitere Vermessungsorte aufgezeigt, indem er die Machalettsche Linie von Delphi – Dordona – nach Nordwesten bis Dänemark verlängerte (ebendort S. 251).
Der Kunstbegriff Ley-lines ist seit Watkins Buch (1925) nicht mehr aus der Diskussion wegzudenken. Ohne diesen Begriff zu kennen, hatte ich auf der Iberischen Halbinsel (veröfftl. 1977) zahlreiche gerade Verbindungslinien vermerkt, die jeweils von einem alten Turm zum nächsten führten und offensichtlich der Nachrichtenübermittlung dienten. In der heute waldarmen Landschaft Spaniens ist das durchaus erkennbar, während in Frankreich und vor allem bei uns häufig der Baumbewuchs die Sichtlinien stört. Wir müssen uns also Sichtschneisen denken, die in der Frühzeit ständig freigehalten werden mußten und dann auch als Verkehrswege (häufig bis heute) dienten.
Nachdem ich auf das Büchlein von Röhrig (von 1930) gestoßen war, brach ich meine theoretisierenden Einwände ab und fuhr nach Ostfriesland. Dort liegt ein Liniennetz vor, das tatsächlich die ganze Landschaft sinnvoll überzieht und heute noch “greifbar” ist. Dort ist auch eine wichtige Bedingung leicht erfüllbar: Die Hügel, die als Nachrichtenpunkte oder zur Orientierung dienten, sind nicht nur leicht aufzuschütten, sondern offensichtlich von Menschenhand angelegt. Hier fällt jeder Zweifel weg: Das System ist eindeutig, uralt, vermutlich kultisch bedingt, und öffentlich bekannt. Und auch hier gibt es zwei Anlagen, die wahrscheinlich zeitlich aufeinander folgten, wobei eine Zerstörung dazwischen nicht erkennbar, aber auch nicht auszuschließen ist. An diesem einfachen Linienraster sollte die Forschung ansetzen und dann zu komplexeren Gebilden fortschreiten.
Wo steht die Forschung heute in Bezug auf diese Linien?
Unter Ley-lines versteht man heute eine Mischung aus sehr verschiedenartigen Konzepten:
elektromagnetische Ströme im Erdreich oder direkt darüber, die mit der Rute gemessen werden,
oder geologische Verwerfungslinien, die bei Erdbeben erkennbar werden,
oder Visurlinien zu kalendarischem Gebrauch,
oder Orientierungslinien zur Landvermessung,
oder schnurgeradeaus führende Verbindungswege zwischen zwei Punkten, die oft schon in vorhistorischer Zeit angelegt wurden (zur Nachrichtenvermittlung).
Bei einigen dieser Linien können auch zwei (oder mehrere?) Kategorien zusammenteffen, vielfach ist das aber nicht möglich, vor allem dann nicht, wenn es sich um Kalenderlinien handelt, die ihren eigenen Gesetzen gehorchen, nämlich kosmischen Bewegungen, also nicht von tellurischen Festpunkten abhängig sind.
Erstaunlich ist, daß sich im internet kaum jemand mit den in Deutschland und Frankreich so zahlreich festgestellten Liniennetzen beschäftigt, während Alfred Watkins und seine Nachfolger wie John Michell die englischsprachigen Seiten füllen. Sprachbarriere?
Einige Literatur zu den Liniensystemen
Amann, Peter : 1997 bis 2004 in Zeitensprünge
Bischoff, Günter (1998): »Vorgeschichtliche Dreieckskonstruktionen in der Steiermark«, in: An den Grenzen unseres Wissens, Bd.2, Hrg. Thomas Mehner (Suhl i.Th.)
Doumayrou, Guy-René (1975): Géographie sidérale (UGE, Paris)
Fester, Richard (1981): Die Steinzeit liegt vor Deiner Tür (Herbig, München-Berlin)
Guichard, Xavier (1936): Eleusis Alesia. Enquête sur les origines de la civilisation européenne (Abbeville) im internet: www.ancient-wisdom.com/xavierguichard.htm
Kaminski, Heinz (1995): Sternenstraßen der Vorzeit (Frankfurt/M.)
Krahe, Hans (1963): Alteuropäische Hydronomie (Mainz)
Korth, Hans-E. : 2005 zwei Beiträge in Zeitensprünge 17,1 und 17,3
Le Scouëzec, Gwenc’hlan und Masson, Jean-Robert (1987): Bretagne mégalithique (éd. Seuil, Paris)
Machalett, Walther (1970): Die Externsteine – Das Zentrum des Abendlandes (4 vol.; Hallonen Verlag, Maschen)
Meier, Gert (1999): Die deutsche Frühzeit war ganz anders (Tübingen)
Meier, Gert und Zschweigert, Hermann (1997): Die Hochkultur der Megalithzeit. Verschwiegene Zeugnisse aus Europas großer Vergangenheit (Tübingen)
Michell, John (1969): The New View over Atlantis (London) dtsch: Die Geomantie von Atlantis (München 1984/1986 a.d.Engl. v. M. Bischof; München)
Pfister, Christoph (1997/8): »Brenodurum – Bern und die Entdeckung einer keltischen Landvermessung im Berner Mittelland I und II«, in Zeitensprünge 4-97, 628-656 und 2-98, 235-253
Richer, Jean (1967): Géographie sacrée du Monde grec (Hachette, Paris)
(1970): Delphes, Délos et Cumes (Julliard, Paris)
Rogowsky, Fritz (1973): “Tennen und Steinkreise in Griechenland” in: Mitt. der TU Braunschweig VIII, Heft II
Röhrig, Herbert (1930): Heilige Linien durch Ostfriesland (Aurich) – im internet vorhanden
Le Soüezec, G. (1987) : Bretagne mégalithique (Seuil, Paris)
Stolla, Hubert und Bischoff, Günter (1994): im internet zu finden, besonders durch Sepp Rothwangl.
Thiele, Wolfgang u. Knorr, Herbert (2003): Der Himmel ist unter uns (Bottrop)
Topper, Uwe (1977): Das Erbe der Giganten (Olten/Schweiz)
Watkins, Alfred (1925): The Old Straight Track (London)
Was gibt es noch in diesem Heft 2-2017? Eine Würdigung des “Astralmythologen” Eduard Stucken durch Illig. Wer hätte je gedacht, wie vielseitig dieser Autor war ! Als wir als Jungs die “Weißen Götter” lassen, diesen mordmäßig dicken Wälzer über die Eroberung Mexicos, da war wohl keinem von uns bewußt, welch ein Genie ihn verfaßt hatte. Hier ist mehr als ein Felix Dahn oder Gustav Freytag am Werk gewesen. Illig führt Velikovsky gegen Stuckens Ansicht zum Verhältnis Mythen-Katastrophen an, und so erfahren wir gleich noch eine Neuigkeit, die kaum in unseren Kreisen besprochen wurde: Velikovsky hatte in seinem postumen Buch “Mankind in Amnesia” (1982) von 700-Jahrperioden gesprochen: Das sei der (ungefähre) Zeitraum, in dem sich Katastrophen in der Neuzeit wiederholen. Ich hatte diesen Ausrutscher des alten Vorkämpfers nicht ernstgenommen (siehe: Velikovsky und die vergessene Katastrophe), sogar für eine Entgleisung der Herausgeber gehalten. Nun bringt Illig seinen ehemaligen engsten Mitarbeiter Heinsohn und dessen 700-Jahrlücke damit in Verbindung: “Vielleicht hat sich Gunnar Heinsohn deshalb für eine mittlerweile 700-jährige Phantomzeit entschieden.” (S. 329) Illig sieht sich selbst dadurch in Kontraposition zu Velikovsky, weil seine eigene Phantomzeit von 297 Jahren Velikovskys Kalkulation gestört habe, “was gerade angelsächsische Velikovskyaner verärgerte.” (ebenda)
Nun, ganz so einfach ist es nicht.
Am guten Schluß darum noch ein Zuruf, der nicht nur an den Herausgeber der Zeitensprünge gerichtet ist:
Alle Artikel der Zeitensprünge und ähnlicher Publikationen sollten im internet frei zugänglich werden, so wie es die Arbeiten dieser Webseite (verantwortlich: Ilya Topper) schon von Anfang an waren. Dann würde sich eine Diskussion leichter führen lassen.
Scharfe Streitigkeiten können ausgetragen werden, aber Mißgunst und Totschweigen von Kollegen ist kein Weg, der uns weiterführt.
Uwe Topper, Berlin im November 2017