Nachruf auf Dr. Hermann Detering

Der Theologe Hermann Detering, der tapfere Skeptiker und Verneiner der Historizität Jesu (in diesem Sinne Nachfolger von Bruno Bauer und Arthur Drews), Pfarrer in Berlin und Maler, ist am 18. Oktober 2018 seinem Krebsleiden erlegen. In den letzten Jahren lebte er zurückgezogen recht weit weg von Berlin in der Altmark, weshalb mein persönlicher Kontakt mit ihm abgerissen war und ich erst jetzt von seinem Tod erfuhr.
Das Ehrengrab für Bruno Bauer in Berlin-Neukölln geht auf seine Initiative zurück.
Detering betrieb seit 2000 die Webseite www.radikalkritik.de. Sie ist noch abrufbar.

Von dieser Webseite hier knappe Fakten zur Vita:
1953 in Oldenburg geboren, evangelischer Theologe, verheiratet, vier Kinder.
Nach dem Abitur Studium der Germanistik, Altphilologie und Theologie in West-Berlin, wissenschaftlicher Assistent. Promotion (1991), Thema der Dissertation: die holländische Radikalkritik, Doktorvater Prof. Walter Schmithals. War von 1982 bis 2009 Pfarrer in Berlin.

Von seinen Veröffentlichungen möchte ich hervorheben::
–„Paulusbriefe ohne Paulus. Die Paulusbriefe in der holländischen Radikalkritik“, Peter Lang 1992. und – „Der Gefälschte Paulus“, Patmos 1995.
Durch minutiöse Textuntersuchung hat Detering festgestellt, daß nicht nur die inzwischen als gefälscht erkannten 14 Paulusbriefe erst im nachfolgenden Jahrhundert verfaßt wurden, sondern die übrigen sieben ebenso. Das bedeutet: Es gibt keine neutestamentlichen Schriften aus dem ersten Jahrhundert. Damit fällt das Zeitraster des NT in sich zusammen, schreibt Dr. Klaus Jahr (2004 auf de.sci.theologie). Die Begegnung des Paulus mit den Aposteln: alles Literatur aus dem 2. Jh.

Sodann sein Buch „Falsche Zeugen. Außerchristliche Jesuszeugnisse auf dem Prüfstand“, Alibri 2011, zu dem ich eine begeisterte Besprechung schrieb (in unserem Lesesaal).

„O du lieber Augustin – Falsche Bekenntnisse“, Alibri, Herbst 2014.
Weniger interessiert hat mich Deterings Buch über den Autor der “Bekenntnisse”, Kirchenvater Augustin, den ich für einen Mönch des ausgehenden 15. Jh.s halte, also gerade eine Generation vor Luther, und somit beträchtlich von Deterings Datierung abweiche, der diesen Augustin um 1100 AD sieht, als Anselm von Canterbury, immerhin rund 7 Jahrhunderte nach der offiziellen Lebenszeit von Augustin.
Dermaßen radikal war vor Detering nur der Jesuit Hardouin gewesen, wie Detering selbst sagt (im Interview Der “Klostergeruch” der “Confessiones” von Martin Bauer, 30. 12. 2014).
Deutlich wurde jedenfalls, daß durch einen Literaturkritiker von der Güte dieses Theologen das gesamte christliche Schriftwerk versenkt wird, soweit es den historischen Gehalt betrifft. Nachträglich bleibt ein schaler Geschmack von Groteske und Theater.

In neueren Jahren hat der Abstand unserer Einstellungen zugenommen. Obgleich gerade auch Detering so wichtige Chronologiekritiker wie Edwin Johnson und Polydore Hochart bei uns einführte und Hardouin wie Kammeier verarbeitet hatte, übernahm er doch deren grundlegende Ergebnisse nicht, sondern betrat einen eigenen Weg, der halb in Übernahme und halb in Ablehnung der Fälschungserkenntnisse verlief. Methodisch vertrat er Aschbachs Technik: Die Handschrift mag verstellt oder gekonnt gefälscht sein, wie sie will, es ist der Inhalt, der die Fälschung verrät: “Nur innere Gründe können den Betrug an den Tag bringen” (Aschbach 1868 im Vorwort; siehe Topper, Uwe Die Große Aktion, S. 37).

Bruno Bauer schrieb einst: „Das Gemüt des neuen Gebildes (= Christentum) kam vom Westen, das Knochengerüst lieferte das Judentum.“
Detering, der diesen Satz von Bauer zitiert, möchte darin das Wort “Westen” ersetzen durch “Osten”, um auf seine neue Überzeugung hinzuweisen, daß vor allem Indien und der Buddhismus an der Entstehung des Christentums deutlichen Anteil hatten.
Im Zusammenhang mit (dem Ketzer) Basilides sagt Detering: “Daran, dass indischer „spirit“ den Anstoß für die Entstehung der frühchristlichen Religion und auch für die Gestaltung des neutestamentlichen Jesusbildes gegeben hat, habe ich … inzwischen nicht mehr den geringsten Zweifel. Insofern ist das Christentum auch für mich im weitesten Sinne eine mit jüdischen Bildern und Symbolen illustrierte „Sonderform“ indischer Spiritualität.” (siehe Deterings Webseite)

Glücklicherweise ist die Webseite Radikalkritik weiterhin aufgeschaltet und bleibt es hoffentlich noch viele Jahre, denn die dort gesammelten Schätze an Theologenarbeit und Literaturkritik bedürfen der Verwendung und Auswertung für eine ganze Generation.

Uwe Topper, Berlin, im Januar 2020

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