Hardouin – eine Abrechnung
Anläßlich der Neuherausgabe der “Prolegomena” Hardouins in Deutsch durch Rainer Schmidt finde ich es angemessen, unsere Begeisterung für den großen Vorreiter der Chronologiekritik, Harduinus, auf das nötige Maß zurückzuschneiden.
Rainer Schmidt hat eine große Leistung vollbracht: er hat die lateinisch erschienenen “Prolegomena” (Vorreden zu einer Kritik der antiken Schriften, London 1766) von Jean Hardouin ins Deutsche übersetzt und mit sachkundigen und hilfreichen Anmerkungen versehen, sowie eine ebenso lehrreiche Einführung vorangestellt.
1909 hatte Edward Petherick die gesamten “Prolegomena” in englischer Übersetzung von Edwin Johnson herausgebracht und eingeleitet. Dieser Text war durch Hermann Detering im Internet zugänglich gemacht (die man auch von unserer Seite aus runterladen konnte). Vor acht Jahren übersetzte ich dieses Vorwort sowie die Einführung, in der Petherick in scharfen Zügen Johnsons Interpretation herausstellte.
Nun haben wir den gesamten Text in Deutsch durch Rainer Schmidt. Er war es, der im vergangenen Jahr das Geheimnis um die Person Robert Baldauf lüftete und dessen Verdienst in Sachen Chronologie-Kritik mit sachlichen Argumenten ins rechte Lot brachte. Entsprechendes finde ich jetzt auch bei Jean Hardouin angebracht, nachdem er von allen Chronologiekritikern als Vorbild hingestellt worden war. Denn dieser französische Jesuit (1646 in der Bretagne – 1729 in Paris) gilt als der schärfste Kritiker der von der Kirche vertretenen Geschichtsdarstellung.
Das Problem bei ihm wie auch bei Kammeier und den anderen Vorarbeitern der Chronologiekritik ist nicht zu übersehen. Sie hatten erkannt, daß die Evangelien wie auch die gesamte Bibel und die Kirchenväter erdacht sind, nämlich Erzeugnisse des 15., sogar 16. Jh.s. Da stellt sich die Frage: Wußte man das um 1600 (nach dem Tridentinum) nicht mehr? Die Verantwortlichen teilten sich doch wohl das Geheimnis gegenseitig mit (wenn es überhaupt geheimgehalten wurde) und besprachen es (etwa wie das Geheimnis von Fátima in unserem Jh.). Was geschieht, wenn der ganze Priesterstand weiß, daß er an einer Lüge mitarbeitet? Gewiß, man fälschte im guten Glauben, aber für wen? Nicht für das thumbe Volk, die waren Heiden und kümmerten sich einen Dreck um Theologie, Dogmatik oder Geschichte. Die Kirche schuf sich aus dem Nichts ein Lehrgebäude mit eigener tausendjähriger Vergangenheit.
Hier ist etwas ungeklärt. Das ganze Unternehmen nimmt eine eigene Dimension an: Eine solche Fälschung läßt sich nicht verbergen! Und warum haben die Evangelischen, allen voran Luther, das mitgemacht?
Aus Hardouins “Prolegomena” geht hervor, daß er die biblischen Geschehnisse in Palästina als historisch vertrauenswürdige Grundlage ansieht, wie viele Theologen seiner Zeit (bis heute) und den großen Abstand – räumlich wie auch zeitlich – akzeptiert, und damit auch die Päpsteabfolge und die tradionelle Überlieferung von Dogma und Liturgie der Kirche. Die Historizität der Bibelinhalte wurde erst durch Bruno Bauer, Arthur Drews und deren Nachfolger (im 19. und 20. Jh.) durchbrochen.
Weder Koran noch Neues Testament bieten chronologische Anhaltspunkte für die dort geschilderten Ereignisse, nur das Alte Testament bringt ausschnittweise Jahreszahlen, aus denen eine Chronologie von der Schöpfung bis zur Babylonischen Gefangenschaft erstellt wurde. Das ist für unsere Überlegungen nicht von Belang. Hardouin hat in diesem Bereich keinen Durchblick geleistet, seine Arbeit lag auf anderem Gebiet.
Hardouin hat “Fälschung” geschrien, denn er wollte Texte aussortieren, die nicht in seine Annahme eines Urchristentums paßten. Er leistete Überzeugungsarbeit wie ein Reformator, um den Urchristenglauben, der in seinem Kopf spukte, “wieder”herzustellen. Ihm ging es um die Verkündung eines wahren Gottes in einem bereinigten christlichen Glauben, im Gegensatz zu den Lügnern – etwa diejenigen, die die Bücher eines Augustin schrieben. Er verdammte alle Schriften der Benediktiner usw. als Ketzerschriften, oder gefälscht. Nur aus dieser Überzeugung ergibt sich für den Leser eindeutig, daß alle Bücher, die diesen reinen Urglauben verleugnen und heute allgemein anerkannte katholische Dogmen darbieten, Fälschungen sein müssen, also von Gegnern des Christentums geschrieben wurden. Echte Schriften als Zeugnisse dieses Urglaubens, auf die sich die wahren Christen hätten berufen können, gab es nicht (Kap. II, 2 – S. 192), es gab auch keine Auseinandersetzungen zwischen Christen verschiedener Strömungen.
Hardouin macht es sich da einfach: Alle Schriften, die nicht mit dem von ihm postulierten Urglauben übereinstimmen, können nur von Atheisten stammen, die in betrügerischer Absicht Kirchenväter und falsche Dogmen erfanden. Hardouin will damit etwaigen Einwänden auf seine eigene Sicht der Glaubenslehre zuvorkommen.
Noch radikaler sagt er es im nächsten Absatz: “Alle Glaubenssätze, die die christliche Religion überliefert, wie sie von Christus gelehrt wurden, sollten so beschaffen sein, dass man aus ihnen verstehen und entnehmen kann, dass es einen wahren Gott gibt.” Was er darunter versteht, sagt er ausführlich mehrfach.
Damit schafft sich Hardouin ein Kriterium zur Scheidung von echt und falsch in den alten Schriften der Kirche. Dieses Kriterium beruht auf dem Inhalt der Texte.
Hardouin hat mit dieser Herangehensweise falsche Fährten gelegt, wobei er wußte, daß sein Vorhaben eine weitere Erfindung darstellt.
Ist damit Hardouins Arbeit für uns wertlos geworden? Nur insofern, als die Einzelfolgerungen der “Prolegomena” nicht beweiskräftig sind (soweit sie nicht einzeln in anderen seiner Schriften abgehandelt wurden). Die Ungeheuerlichkeit des Entwurfs von Hardouin bleibt bestehen und muß auf seine theologischen Zeitgenossen wie Verrat gewirkt haben.
Die Radikalkritische Theologie des 20. Jh.s, wie von Hermann Detering in Berlin vertreten, hatte noch immer nicht den völligen Durchblick. Man entdeckte Fälschungen, verschob Autoren der Kirchengeschichte (wie Paulus oder Augustin) an andere Zeitpunkte ohne zu merken, daß das gesamte Gerüst falsch ist.
Die Jahreszählung lag von Anfang an in Händen der Kirche. Wer das nicht beherzigt, knabbert noch immer an diesen falschen Vorausetzungen.
Kammeier hat psychologisch gearbeitet: Wenn diese Gestalten (Jesus und die Jünger usw.) gelebt hätten und hätten sich so benommen, wie von ihnen heute berichtet wird, dann wären sie allesamt Verrückte gewesen. Auch Aschbach, Hochart, Baldauf und weitere Laien haben das klarer gesehen. Johnson (obgleich theologisch vorgebildet) war da ebenfalls weiter gekommen, er hatte auch den Mut, diese ganze Geschichtslüge, die bereitwillig geglaubt wird, als Verbrechen an der Menschheit zu bezeichnen.
Wir hätten das als Schüler ebenso sehen können, der Abstand zur autoritären Denkweise war vorhanden. Uns fehlte der Anstoß und ein Motiv für eine so weitreichende Arbeit.
Hardouins “Prolegomena” sind eher ein Programm, weniger eine Darlegung der Beweismittel. Viele seiner Gedanken wurden auch schon früher ausgesprochen (siehe unten), ja, einige drängten sich mir auf, bevor ich Hardouin gelesen hatte. Die Kühnheit seines “Systems” ist jedoch aufrüttelnd. Mit skeptischem Blick und scharfem Nachdenken ergeben sich gar manche seiner Thesen als offensichtlich – etwa daß die Bibel ursprünglich in Latein verfaßt sein muß, zumindest das Neue Testament, und wohl nicht vor dem 15. Jh.
2. Worin lag der Fehler Hardouins?
Hardouin glaubt oder behauptet, daß die Kirchenväter der ersten drei Jahrhunderte durchaus gelebt und gelehrt haben, daß aber die von ihnen angeblich erhaltenen Schriften allesamt ihnen untergeschoben sind durch die Fälscherbande. Das ist ein in groben Zügen den Vorstellungen seiner Zeit anpassungsfähiger und diskutabler Gedankengang (aber keineswegs das Wissen, das von uns vorgetragen wird) und somit nur zur Hälfte brauchbar zur Unterstützung unserer Thesen. Hardouin läßt die christliche Religion in Westeuropa im 13. bis 15. Jh. (die beiden Grenzen sieht er bei 1350 AD, Beginn der Fälschungen, und 1480, Beginn des Buchdrucks und damit allmählich Ende der Fälschungen; Kap. 15, 14, S. 243) in Latein entstehen, verschiebt also die frühe Kirche um ein Jahrtausend (wie wir es vortragen), ohne anzuzweifeln, daß diese tausend Jahre wirklich vergangen wären (wie unsere These besagt). Er spannt einen Spagat zwischen der Gestalt des Erlösers und den frühen Päpsten (oder Bischöfen) einerseits und den Mönchsorden (als Fälschern) tausend Jahre später. Nur so kann er sich als Christ und Reformator erweisen ohne verdammt zu werden.
Es könnte sich bei den “Prolegomena” um eine zwischenzeitliche Arbeitsstufe handeln, oder eine aus Vorsicht vor den Oberen selbstgewählte Beschränkung.
Man muß einem so eifrigen Schriftsteller zugestehen, daß er – wie andere auch, und ich selbst – im Laufe eines Lebens einen schrittweisen Einstieg in das ganze Ausmaß der unerkannten Geschichte vornahm, ohne daß das “System” (wie es gern genannt wird) fertig vorlag, so daß wir in den “Prolegomena” ein auf kleinen Raum gedrängtes Konzept vorfinden, das noch dazu postum erst vier Jahrzehnte nach seinem Tod herausgegeben wurde (wobei im Titel behauptet wird, daß die Herausgabe auf grundlage der eigenhändigen Handschrift Hardouins erfolgt sei).
Hardouin arbeitete auch an der kniffligen Frage, wie das katholische Christentum, das im Westen Europas in Latein entstanden war, nach Konstantinopel und in den Orient gelangt sein könnte. Ein ursprünglich aramäisches Christentum erwägt Hardouin nicht einmal (siehe hierzu unten den Kommentar 2 von Schmidt).
Hier liegt ein Schwachpunkt seines “Systems”, denn es gibt ja durchaus ein altes und weitverbreitetes arabisch-aramäisches Christentum. Dies ist zwar nicht katholisch, aber die kath. und orthodoxe oder auch armenische und nestorianische Bibel unterscheiden sich überhaupt nicht, die Texte sind die gleichen. Soweit ich in Edschmiazin (dem Sitz des armenischen Patriarchen) erfuhr, stammen alle Bücher der armenischen Kirche aus Italien; sie sind in Rom gedruckt und weichen nicht vom katholischen Dogma ab. Allerdings ist es völlig unmöglich, den Islam als vorchristlich anzusehen, es muß unbedingt schon vor dem Islam ein Evangelium gegeben haben, auch wenn dies noch nicht genau kanonisch war.
“Bis zur Einnahme Konstantinopels durch die Türken und noch danach war die frevelhafte Sippschaft (die Fälscherbande) bestrebt, griechische Väter und Geschichtsschreiber in großer Zahl zu fälschen. … Zu diesen Zweck warben sie gegen Bezahlung griechische Flüchtlinge aus ihrem eigenen Land an, um das ins Griechische zu übertragen, was sie selbst zuerst in Latein oder Französisch geschrieben hatten.” (Kap. VII, 9).
Gewiß, so etwa hatten wir uns das auch vorgestellt, wenn auch etwas diffiziler. Erasmus schuf den griechischen Text der Bibel nach Vorlagen. Das alles spielte sich im 15. Jh. ab, wie bei Hardouin. Für ihn lag die Arbeit der Fälscher nur wenige Jahrhunderte zurück, ja sie fand zu seiner eigenen Zeit noch statt. Hardouin greift mit seiner Aufklärungsarbeit in den laufenden Streit ein und versucht, die Lügen der Gegner niederzuringen. Daher sein oft leidenschaftlicher, zuweilen unsachlicher Ton. Im Gegensatz zu seinen früheren Arbeiten läßt diese vermutlich letzte seiner Schriften, die erst rund vier Jahrzehnte nach seinem Tod (möglicherweise leicht geglättet, siehe unten Nachtrag 1) veröffentlicht wurde, die kühle Beweisführung vermissen. Da gibt es Zirkelschlüsse wie diesen: Weil die Geschichtswerke der Mönche Unwahrheiten enthalten, müssen sie gefälscht sein, denn die gegenteilige Meinung ist wahr und damit echt. Sie wurde aber nicht aufgeschrieben und nicht angegriffen. Es gibt also nur gefälschte Chroniken, usw.
An einer weiteren Schrift Hardouins läßt sich der Fehler ebenfalls zeigen:
In seiner Abhandlung über Dante behauptet Hardouin mit historischen Überlegungen zum theologischen Inhalt, daß die Göttliche Komödie nicht von Dante Alighieri, dem berühmten Dichter und exilierten Florentiner, der 1321 starb, (allein) geschrieben sein kann; und zeigt aus dem inneren Geist des großen Werks heraus die starke Vermutung, daß Teile von einem Schüler des englischen Ketzers und Reformators Wiclif, der dreiundsechzig Jahre nach Dante (1384) starb, geschrieben wurden.
Wiclifs realer Zeitpunkt bzw. der seines Schülers wäre noch zu finden.
Die Lösung sieht meines Erachtens anders aus: Eine Fälschung oder Veränderung der Göttlichen Komödie muß nicht angenommen werden, sondern der gedachte Zeitpunkt der Niederschrift liegt näher bei uns, rund 200 Jahre, wie ich aus den astronomischen Angaben erschlossen habe. Das ganze Werk und der Dichter Dante werden verschoben. Kein Komplott der Mönche liegt vor, nur die italienische Jahreszählung ist verschieden von unserer heutigen.
Der Herausgeber Petherick ist voll überzeugt von Johnsons Thesen, die auf Hardouin zurückgehen, bis auf einen Punkt, der unserer Ansicht entspricht: Der Fehler liegt in der Übernahme der ausgedachten Chronologie (sagt Petherick S. 62). Er beträgt mehr als 700 Jahre! (S, 63). Die Erstellung einer auf Christus bezogenen Zeitrechnung durch einen Dionysius Exiguus im 6. Jh. ist eine Legende ohne Realitätshintergrund.
3 Hardouin – Einzelgänger?
Hardouins Gedanken, – sein “System” – waren schon um 1690 bekannt, rund vier Jahrzehnte vor seinem Tod 1729.
In “Die Große Aktion” (1998, S. 14), wo ich drei Seiten Hardouin widme, schrieb ich:
Das System des Hardouin “löste bei seinen Zeitgenossen großen Schrecken aus, … weil viele dieser Kollegen auch im Bilde waren über den gesamten Fälschungsvorgang und nur den Skandal scheuten.”
Dennoch fand die Diskussion damals auf breiter Ebene statt.
Hardouin scheibt, daß er der erste sei, der dieses Komplott der Mönche aufdeckt, daß er demnach keine Vorgänger habe. Er kennt also den Spanier Nicolas Antonio nicht (1617-1684, eine Generation vor Hardouin). Die Bücher von Antonio, seine Aufdeckung der zahlreichen Betrügereien der Theologen des 16. Jh. (“Kritik der fabulierten Geschichten”) wurden erst viele Jahre nach seinem Tod gedruckt, 1742 durch den Jesuiten Mayans (Topper, Große Aktion S. 79 ff).
Der französische Jesuit Barthélémy Germon (1663-1718) war Zeitgenosse von Hardouin und vertrat ganz ähnliche Thesen. Sein Buch “Von den alten ketzerischen Verderbern der Bücher der Kirchenväter”, das mit Erlaubnis der Zensur und Empfehlung des Königs von Frankreich 1713 erschien, beweist mit Argumenten theologischer Art, daß die alten Manuskripte mit Texten des heiligen Augustin und sogar Evangelienhandschriften, die aus de 4.und 5. Jh. stammen sollen, im Benediktinerkloster Corbie im 9. Jh. oder später – bis zum 13. Jh. – gefälscht wurden. (Topper S. 261).
Hardouin kennt Pater Germon (er nennt ihn nur P.G., VI, 6; S. 138) und verteidigt ihn gegen die Anschuldigung, alles zu bezweifeln.
Schon vor Germon hatte Jean de Launoy (1603-1678), ebenfalls Jesuit, die Aufdeckung entworfen, seinem Werk erging es ähnlich wie den Büchern von Antonio: Launoy bereinigte die mit Fälschungen überladene barocke Kirche, seine Bücher wurden aber bald verboten und vor dem Druck beschlagnahmt. Erst 1732, ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod, wurde sein Gesamtwerk in Genf herausgegeben (Topper, Große Aktion S. 260).
Der Durchbruch könnte in Zusammenhang mit Hardouins Arbeit stehen, indem durch seine mutige Aufdeckung das Eis gebrochen war, so daß Mayans es wagen konnte, Antonios “Kritik” herauszubringen. Wie wir sehen, sind es Jesuiten, die das Komplott aufdecken, wenn auch in einer Art Übereinkunft gegenseitiger Achtung gegenüber den Benediktinern.
In diesem Sinne zitiert Schmidt auch Watkins (2019), der Hardouins Lebenswerk als Aufklärung versteht, die im Orden Jesu gefördert wurde (besonders S. 57 als Fazit).
In dieser Reformbestrebung war Hardouin nicht allein. Außer den Jesuiten bemühten sich auch evangelische Pastoren um eine Reinigung des Glaubens von pantheistischen und anderen heidnischen Strömungen. Als Beispiel nenne ich den Anti-Jakob-Böhme Theologen Abraham Hinckelmann (Hamburg 1693).
Rainer Schmidts Auffassung schließt sich an vielen Stellen den Thesen Hardouins an. Ein Beispiel (in seiner Einführung S. 17): “Platters Anekdote mag uns als Blaupause dienen, zumindest als eine Wegmarke innerhalb der Geschichte, wie Gelehrte der Renaissance und andere Akteure in Literatur und bildender Kunst dazu kamen, sich das frühe Christentum auf neue Weise vorzustellen. Denn dieses katholische Projekt beherrschte einen Großteil der römischen, ja der europäischen Wissenschaft und Kunst in den Jahren um und nach 1600 und hinterließ reiche Hinterlassenschaften an Texten, Bildern und Gebäuden, als alte Kirchen restauriert, als Katakomben und Klosterbibliotheken geöffnet und frühe Bräuche nicht nur Gegenstand von Debatten unter Gelehrten sondern auch der Darstellung in Malerei und Bildhauerei wurden.” – 1600 dürfte etwas zu spät angesetzt sein. Um 1600 ist die neue Religion mit dazugehöriger Kunst etabliert. Sie hat sich als tonangebend durchgesetzt. Das nennt Schmidt das katholische Projekt.
Dieser weitgefächerte Blick, den Hardouin möglich gemacht hat, läßt sich teilweise in die damalige europäische Gelehrtenwelt verlagern, die Schmidt mit Berufung auf Grafton und andere Koryphäen “Gelehrtenrepublik” nennt, wobei nicht an ein Staatsgebilde gedacht wird, sondern an eine lose Gemeinschaft von Autoren, die im regen Austausch miteinander verkehrte und zwischen Sevilla und Krakau ihre Ideen frei zirkulieren ließ. Gegen 1500 ist dieser Austausch voll im Gange.
Hardouin nennt meist 14/15. Jh. als Grenze. Nach dieser beginnt die bekannte Geschichtsschau.
Dieses schöne Bild, das uns Schmidt in seiner Einführung beschert (S. 33: “République des lettres”), mag etwas idealisiert sein, hat jedenfalls den Vorteil, die damalige Zeit in uns aufleben zu lassen und manche Querverbindungen aufzuspüren.
Am Schluß soll noch einmal auf die Bedeutung Hardouins verwiesen werden:
Wenn Hardouin seinen Kampf gegen die Fälscherbanden gewonnen hätte, wäre er zum größten Reformator der katholischen Kirche geworden, viel bedeutender als Luther, Calvin usw. Hardouin glaubte, daß die katholische Kirche den wahren Glauben an Gott hochhielt. Er wollte sie reinigen, bewahren vor dem Irrglauben, ihre Macht durch die erfundene Geschichtsschreibung zu beziehen. Ihm lag die Wahrheit am Herzen, wie seine Liebe zu Gott und zur Kirche. Dabei wähnte er sich nicht allein sondern glaubte wohl zeitlebens, daß er diese Reinigung bewerkstelligen könne.
Literatur
Detering, Hermann (1992): Paulusbriefe ohne Paulus? (Diss., Frankfurt/M)
(1995): Der gefälschte Paulus. Das Urchristentum im Zwielicht (Düsseldorf)
Heinsohn, Gunnar (siehe den Beitrag Heinsohn gefragt)
Hinckelmann, Abraham (1693): Untersuchung und Widerlegung der Grundlehre in Jacob Böhmens Schriften (Hamburg)
Müller, Angelika (1990): Die Quelle. Über die Zweifelhaftigkeit “alter” Überlieferung, in VFG 5/90. (Gräfelfing)
(1996): Die Geburt der Paläographie, in Zeitensprünge 4/96, S. 525-534 (Gräfelfing) (hier als pdf)
Petherick, Eduard (1909): The Prolegomena of Jean Hardouin, translated by Edwin Johnson, M.A., Sydney, Australia and London) PDF-Dowload hier
Schmidt, Rainer (2021): Jean Hardouin: Prolegomena zu einer Kritik der antiken Schriften, ins Deutsche übertragen, eingeleitet und kommentiert (Norderstedt)
Topper, Uwe (1998): Die Große Aktion. Europas erfundene Geschichte (Tübingen) PDF-Downl0ad hier
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Nachtrag 1
Rainer Schmidt (S. 72, Anm. 128) bringt eine weitere Aufklärung: die einleitenden Bemerkungen in dem anonymen Vorwort zu den Prolegomena von 1766 stammen von William Bowyer (1699-1777), wofür er eine Schrift (London 1811) anführt. Aus diesen Bemerkungen geht hervor, daß der vorliegende Text der Prolegomena nicht akkurat derselbe ist wie der, der dem Schreiber dieser Bemerkungen (also Bowyer) vorlag. Während nämlich darin einige ausgezogene Zitate des Textes wörtlich (oder beinahe) gebracht werden, stammt ein längeres und sehr wichtiges Zitat aus einer anderen Schrift Hardouins (Chronologie der alten Münzen). Darin beschreibt er anekdotenhaft, wie ein anonym bleibender, geheimnisvoller Informant Hardouin auf die Spur des ganzen Betruges brachte. Dieser Hinweis kommt in den Prolegomna nicht vor. Gleich angefügt und durchaus in den Prolegomena im gleichen Sinne gesagt, wird der Beginn der Herstellung der gefälschten Schriften erwähnt: “entstanden im 14. Jahrhundert”, präzisiert in Prolegomena (XVI, 1): als 1370 n. Chr.
Zur Person des “Einflüsterers” möchte ich die Vermutung äußern, daß es sich um den Jesuitenpater Barthelemy Germon handeln könnte (den ich oben schon erwähnte).
Und ein weitere Hinweis in denselben Bemerkungen (von Bowyer) läßt den Schluß zu:
“Diese Prolegomena scheinen als Teil seines kritischen Unternehmens geschrieben worden zu sein … Das ganze Werk ist untergegangen…” und schließlich:
“Dieses Fragment, so wie es ist, hatte Vaillant also sorgfältig gedruckt und das Manuskript der Nachwelt übergeben, indem er es wie eine Votivtafel ins Britische Museum stellte.” – wo das Fragment leider nicht auffindbar ist.
Nachtrag 2
Rainer Schmidt schreibt in seinem Buch, S. 36, Anm.57, wie Monaldi &Sorti ihre Anregung betreff Hardouin erarbeitet haben:
“Im Zuge der Recherchen für ihre romanhafte Aufbereitung der Suche nach den verschollenen Manuskripten der antiken Autoren (Das Mysterium der Zeit, Berlin 2011) haben Rita Monaldi und Francesco Sorti auch einige Manuskripte Hardouins der französischen Nationalbibliothek in Paris gesichtet und der interessierten Öffentlichkeit als PDF-Download zur Verfügung gestellt.”
In dem aufwendigen Werk von Monaldi und Sorti ist im Anhang 2 von Jean Hardouin die Rede. (S. 775). Es wird festgestellt, daß die Originalhandschrift der “Prolegomena” nicht zu finden ist. Die Autoren haben in der Pariser Nationalbibliothek eine ganze Anzahl Hardouinscher Handschriften gefunden, die allerdings nicht gedruckt wurden. Sie bezweifeln daher die Echtheit des Textes der “Prolegomena”, der (postum) 1766 gedruckt wurde (auf den wir uns immer beziehen). ((Hierzu ein Kommentar von Rainer Schmidt unten)).
Mehr noch: Die Autoren nennen Vorläufer von Hardouin, gestützt auf den brillianten Kenner von Fälschungen, Luciano Canfora. Sodann folgen sie der Linie Hardouins: Der Zweck der Fälschung der Kirchenväter usw. ist die Verunglimpfung des christlichen Glaubens.
Unabhängig von dieser positiven Beurteilung führen sie eine ganze Reihe von ernstzunehmenden Kritikern der Chronologie auf, zuerst Isaac Newton, und dann die ganze Reihe der von uns seit Jahrzehnten ins Feld geführten Väter der Chronologiekritik (sie sprechen von “kritischer Chronologie”, was nicht genau unsere Chronologiekritik trifft, aber vermutlich ein Übersetzungsfehler ist).
Monaldi und Sorti zählen auch einige Verkürzer der Zeittafel auf: Edwin Johnson, Wilhelm Kammeier (der leider den Fehler beging, in der Nazizeit in Deutschland zu veröffentlichen), sodann Heribert Illig – sowie “von Illig angeregt” – eine ganze Reihe von Autoren wie Jordan Tabov (unseren Mitarbeiter). Fomenko steht ausführlich für die neue Chronologiekritik, ebenso Morosov, Robert Newton und Peter James und sein Team. Dazu auch Anthony Grafton (S. 798), der ungeachtet seiner Verdienste kritisiert wird, obgleich er Scaligers Quelle Paul Krauß aus Jena (1578) herausfand, ebenso Casaubonus. Die C14-Methode zur unabhängigen Datierungsfestlegung wird an Hand von Blöss und Niemitz (“C14-Crash”) als unzuverlässig erkannt.
Im großen Ganzen gesehen eine Darstellung unserer Arbeit der letzten Jahrzehnte. Der erste Hinweis auf ein Buch von Monaldi & Sorti erfolgte im März 2009 durch Zainab A. Müller.
Literaturhinweise II
Blöss, Christian und Niemitz, Ulrich (1997): C-14 Crash (Mantis Verlag, Gräfelfing)
Canfora, Luciano (2001): Il Fozio ritrovato (Bari)
Monaldi & Sorti (2011): Das Mysterium der Zeit (Aufbau, Berlin) (siehe Toppers Besprechung des Buches)
Hardouin hat einen kurzen Absatz zu den gefälschten Bleitafeln von Granada geschrieben.
Ausführliche Korrekturen und Einwände durch Rainer Schmidt
Kommentar 1
Topper: “Hardouin läßt die christliche Religion in Westeuropa im 13. bis 15. Jh. (die beiden Grenzen sieht er bei 1350 AD, Beginn der Fälschungen, und 1480, Beginn des Buchdrucks und damit allmählich Ende der Fälschungen; Kap. 15, 14, S. 243) in Latein entstehen, verschiebt also die frühe Kirche um ein Jahrtausend (wie wir es vortragen), ohne anzuzweifeln, daß diese tausend Jahre wirklich vergangen wären (wie unsere These besagt). Er spannt einen Spagat zwischen der Gestalt des Erlösers und den frühen Päpsten (oder Bischöfen) einerseits und den Mönchsorden (als Fälschern) tausend Jahre später. Nur so kann er sich als Christ und Reformator erweisen ohne verdammt zu werden.”
Rainer Schmidt: Tut mir leid, aber das trifft m.E. nicht zu. Als Herausgeber von 20.000 Seiten Konzilsakten wusste kaum jemand besser als er, welche vielfältigen Strömungen des Christentums es in den Jahrhunderten zuvor gegeben hat, auch wenn er manche Konzile für nachträgliche Erfindungen und bei anderen die z.T. erst Jahrzehnte später angefertigten Protokolle für nicht immer zutreffend hielt. Was er vielmehr anprangert, sind auf die Vergangenheit projizierte Dogmen und Vorstellungen des christlichen Glaubens und auch von Glaubenspraktiken, die seiner Ansicht deutlich jüngeren Datum sind. Das ist schon etwas anderes.
Hardouin argumentierte anders: Er wollte nicht Jahrhunderte streichen, sondern suchte nachzuweisen, dass das frühe Christentum (so, wie er es verstand) durch großangelegte, vernetzte Fälschungen von zeitlich früheren bis antiken Werken oder Einschüben in dieselben z.T. bis zur Unkenntlichkeit verändert worden seien. Durch angebliche Häresien und gefälschte oder überformte Konzilsbeschlüsse seien deutlich jüngere, “moderne” Glaubensinhalte und -vorstellungen zu Textzeugen von früheren Jahrhunderten “fabriziert” worden. Damit sei der Wesensgehalt des römisch-christlichen Glaubens z.T. bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden. Das war sein Ansatz, für den er Beweise suchte und auch fand.
Kommentar 2
Topper: “Hardouin arbeitete auch an der kniffligen Frage, wie das katholische Christentum, das im Westen Europas in Latein entstanden war, nach Konstantinopel und in den Orient gelangt sein könnte. Ein ursprünglich aramäisches Christentum erwägt Hardouin nicht einmal.”
Rainer Schmidt: Auch bei dieser Einschätzung habe ich so meine Zweifel. Wie überhaupt die Archivare seiner Zeit kannte sich Hardouin nicht nur mit alten Sprachen aus, er wusste auch, wem sie zuzuordnen waren. Sein Gegenspieler, der benediktinische Orientalist Mathurin Veyssière de La Croze (der Hardouins Schriften ja den Stempel des wahnhaften Systems aufgedrückt hat), beherrschte bspw. eine Vielzahl von Sprachen, so u.a. Syrisch, Armenisch, Koptisch und Aramäisch.
In den Prolegomena spricht Hardouin u.a. explizit von den „Jakobiten“, wie man damals schon die Mitglieder der (aramäischen) syrisch-orthodoxen Kirche nannte. Ursprünglich waren damit griechische Christen gemeint, die heute nur noch in Syrien und Ägypten (Kopten) zu finden sind. Hardouin hat überhaupt kein Problem damit gehabt, dass sich diese „Jakobiten“ zur von der Synode zu Ephesus 449 gebilligten, vom Konzil zu Chalcedon 451 aber als ketzerisch verdammten Lehrmeinung bekannten, dass das Göttliche und Menschliche in Christus zu einer Natur vereinigt sei (Monophysitismus), während die (katholische) Amtskirche festsetzte, dass in Christus zwei Naturen, eine göttliche und eine menschliche, ohne Vermischung zu einer Person und Substanz vereinigt sind. Ganz im Gegenteil: Er macht Front gegen eine Verfälschung der Geschichte, wonach 1441 auf dem 17. Konzil in Florenz Papst Eugen IV. die „Jakobiten in Ägypten“ der römischen Glaubenlehre und der Verurteilung anderslautender Häresien unterworfen hätte. Hardouin hatte schon in seinen Acta conciliorum et epistolae decretales ac constitutiones summorum pontificum dokumentiert, dass diese schriftliche Einigung eine Interpolation gewesen sei und dafür die Zeugnisse zweier Bischöfe auf dem Konzil von Trient angeführt. Er geht völlig zurecht davon aus, dass die syrisch-armenischen Christen an ihrem Glauben festgehalten haben und scheint damit auch überhaupt kein Problem zu haben: „Aber in der Glaubenslehre folgte sie genau genommen ihrer eigenen Tradition und eben auf diese Weise deutete sie auch das Bekenntnis von Chalcedon.“ (Prolegomena, Kap. XII, Abschnitt 8; S. 193ff meiner Ausgabe)
Kommentar 3
Topper: „Schon vor Germon hatte Jean de Launoy (1603-1678), ebenfalls Jesuit, die Aufdeckung entworfen, seinem Werk erging es ähnlich wie den Büchern von Antonio: Launoy bereinigte die mit Fälschungen überladene barocke Kirche, seine Bücher wurden aber bald verboten und vor dem Druck beschlagnahmt.“
Rainer Schmidt: Jean de Launoy, oder lateinisch: Johannes Launoius Constantiensis (1603-1678) war ein französischer katholischer Priester, Kirchenhistoriker, Theologe und Kanoniker des 17. Jahrhunderts. Der heute weitgehend vergessene de Launoy, ein Privatgelehrter von hohem Ansehen, ebenso belesen wie produktiv, hat in zahlreichen, oft kontrovers diskutierten Schriften immer wieder seine Unabhängigkeit und sein z.T. unorthodoxes Denken unter Beweis gestellt. Sein kompromisslos kritischer Umgang mit hagiographischen Legenden und verschiedenen kirchlichen Traditionen brachte ihm die Spitznamen „dénicheur des saints“ (eigentlich Aufspürer, von Uwe Topper aber treffend mit „Entrümpler der Heiligen“ übersetzt)
Meines Wissens war Launoy zwar katholischer Priester, jedoch kein Jesuit, sondern theologisch eher einem etwas unorthodoxen Jansenismus zuzurechnen. Das hat den Jansenisten-Gegner Hardouin, der Launoy nicht nur aus dessen Schriften, sondern auch aus dessen Briefen kannte, nicht davon abgehalten, gleich an mehreren Stellen der Prolegomena zustimmend auf ihn zu verweisen, zumal sich beide in der scharfen Kritik an der Unfehlbarkeit des römischen Papstes einig waren. Auch wenn sowohl Launoy als auch seine Schriften heute weitgehend vergessen sind – nur eines seiner Bücher landete auf dem katholischen Index, und zwar das über die Gnadenlehre des Augustinus (Véritable tradition de l’Eglise sur la Prédestination et la Grâce. Nachdruck Paris: Hachette 2018) In Papst Clemens XI. Verurteilung des Buches („Cum sicut nobis innotuit“ vom 28 Januar 1704) wird das Buch zwar nicht als häretisch bezeichnet, das Lesen aber gleichwohl untersagt. Wasser auf die Mühlen Hardouins, der dieses Vorgehen des Papstes gegen Launoy in den Prolegomena scharf verurteilte. (Prolegomena, Kap. XIII, Abschnitt 18; S. 213f meiner Ausgabe)
Topper: Der Einwand besteht zu recht. Diese drei Personen: Launoy, Germon und Hardouin vertreten hinsichtlich der Fälschung des katholischen Dogmas sehr ähnliche Ansichten. Die letzten beiden waren Jesuiten, ob Launoy zur Gesellschaft Jesu gehörte, war nicht zu finden. Schmidt wird Recht haben.
Aber “heute völlig vergessen”, wie Schmidt sagt, ist de Launoy nicht, zumindest Topper hat ihn als einen der Ahnherren der Geschichtsskeptiker und Vorläufer von Hardouin auf den Sockel gehoben (Große Aktion 1998, S. 260), außerdem auf der Webseite in der Ahnengalerie aufgeführt – weristwer unter L zu finden und auf der Zeittafel: Hintergrund).
Kommentar 4
Topper: “An einer weiteren Schrift Hardouins läßt sich der Fehler ebenfalls zeigen:
In seiner Abhandlung über Dante behauptet Hardouin mit historischen Überlegungen zum theologischen Inhalt, daß die Göttliche Komödie nicht von Dante Alighieri, dem berühmten Dichter und exilierten Florentiner, der 1321 starb, (allein) geschrieben sein kann; und zeigt aus dem inneren Geist des großen Werks heraus die starke Vermutung, daß Teile von einem Schüler des englischen Ketzers und Reformators Wiclif, der dreiundsechzig Jahre nach Dante (1384) starb, geschrieben wurden.”
Schmidt: Hier irrt sich Uwe Topper, denn das hat Hardouin im besagten Essay nicht getan. Diese und andere Verdächtigungen stammen von einem englischen Herausgeber seines Textes (den Hardouin im Herbst 1727 im Journal de Trévoux veröffentlicht hatte), der diesen anonym 1847 mit Kommentaren versehen herausgegeben hat.
Hardouin hat einfach genau gelesen und ihm fielen eine Reihe von Ungereimtheiten auf, darunter historische Fakten, die dem Autor Dante noch gar nicht hätten bekannt sein können. Außerdem zeitgenössische Berichte, die zwar einen Dante Alighieri kennen, aber noch keine Divina Comedia aus seiner Feder. Hardouin äußert lediglich Zweifel an der Autorenschaft und überlässt es im Schlusssatz den Gelehrten, ob sie seine Zweifel teilen oder eine andere Erklärung vorbringen können.
Egal, ob man ihm folgt oder nicht, ein philologischen Kabinettstückchen ist der Artikel allemal.
Topper: Die Richtigstellung über den Autor der Verdächtigungen hinsichtlich Dante ist nötig.
Das ändert wenig an der eigentlichen Aussage: Zeitgenossen des um 200 Jahre zu früh angesetzten Dante kannten seine Divina Comedia nicht, es fielen Hardouin “eine Reihe von Ungereimtheiten auf, darunter historische Fakten, die dem Autor Dante noch gar nicht hätten bekannt sein können”. Ihn deswegen nicht als Dichter gewisser Partien seines Werkes hinzustellen, ist nur eine mögliche Lösung (die schlechtere, denn sein Stil ist unverkennbar). Die andere Lösung: Die Chronologie stimmt nicht. Dante lebte 200 Jahre später. Davon handeln meine übrigen (inzwischen 5) Artikel zur Zeitstellung Dantes.
Ein Kommentar von Rainer Schmidt zu Monaldi und Sorti ist dort angehängt.