Kalenderfälschung – warum?
Zeugnisse für einen noch nicht-christlichen Kalender vor dem 16. Jahrhundert
Die Literatur über getürkte Geschichtsdaten, erfundene Epochen und Regenten wird immer umfangreicher, ein Forschungsgebiet, das sich hauptsächlich mit den Autoren Topper, Illig, Heinsohn, Fomenko, aber auch Davidson und Pfister verbindet. Diese zerbrechen sich den Kopf über Rätsel und Mysterien der Technik- und Weltgeschichte, die von phantasievollen Zeitgenossen gern mit esoterischen und futuristischen Erklärungsmustern gedeutet werden, aber reale Gründe haben müssen. Etwas stimmt nicht mit unserem Geschichtsbild. Urkunden, die älter als das 16. Jh. sind, geraten massiv in Fälschungsverdacht.
Am deutlichsten werden diese Dissonanzen im Aufeinandertreffen von Geschichtsdaten und Forschungsergebnissen der Archäologie und Baugeschichte. Baustile werden entwickelt, eine Zeitlang praktiziert, dann über ganze Jahrhunderte hinweg vergessen, um dann wie aus dem Nichts in alter Frische wieder aufzublühen.
Wie können mühsam erarbeitete Qualifikationen, Konstruktionstechniken, das ganze notwendige umfangreiche Know-how einfach vergessen werden, um dann nach mehreren Generationen andernorts einfach wieder da zu sein? Wo waren die Architektur- und Handwerkerschulen, die Universitäten, die die schwierigen Techniken an Schüler vermittelten in der Zwischenzeit? Gerade die Geschichte der römischen und romanischen Architektur, aber auch der Gotik gibt diesbezüglich reichlich zu denken. Am verwirrendsten ist die Baugeschichte der Jungstein-, Bronze- und Eisenzeit, die Baugeschichte der frühesten Grabmonumente, die in Europa hauptsächlich zur Megalithepoche (Großsteinkultur) gezählt werden, aber von der Steinbearbeitung her eigentlich nur in der Eisenzeit, also sehr spät entstanden sein können, womit ganze Jahrtausende aus der frühen Geschichte verschwinden müssen.
1.- Erste Hinweise
Im Streit, ob im christlichen Kalender nun lediglich etwa 300 Jahre oder gleich mehr als 1300 Jahre zu streichen sind, wird aber die wichtigste Frage schlicht vergessen, warum überhaupt die Geschichte und damit der christliche Kalender gefälscht werden musste. Bislang konnte noch keiner eine vernünftige Antwort auf dieses große Rätsel geben. Einig sind sich die meisten Autoren, dass diese Aktion im Mittelalter von ganz oben, von der katholischen Kirche, initiiert worden sein muss, also von demjenigen Personenkreis, der überhaupt in größerem Umfang lesen und schreiben konnte und damit die Fäden der Macht in der Hand hatte.
Es wird immer klarer, dass Geschichte und Glauben, die Ideenwelt des Glaubens und der Religion insgesamt, aufs engste miteinander verquickt sind, wobei das Wort Religion nach Cicero auf lat. relego „wiederlesen, wieder erwägen“ zurückgeht und damit den geschichtlichen Zusammenhang, die historische Basis deutlich zum Ausdruck bringt. Unsere Geschichtsschreibung, da sie hauptsächlich in den Händen der Kirche lag, kann somit gar nicht objektiv sein. Und doch wurde die Bibel, da man sie bis heute als chronologisches Werk missversteht, zur Grundlage unserer Epochendatierung, zum Gerüst der heute gültigen Chronologie.
Wenn man die chronologischen Verzerrungen erkennt und die Geschichten neu ordnet, erkennt man, dass die geschilderten Ereignisse wohl im großen und ganzen real sein müssen, allerdings nicht in dem dargestellten Zeitrahmen. Im zweifelhaften historisch-kulturellen Kontext stellt sich vor allem eine Frage, die Ralf Davidson formulierte, mit Vehemenz: Warum nahmen die Germanen und europäischen Völker überhaupt die Religion eines orientalischen Volkes an? Schließlich hatten sie eigene Kulte und theistische Überzeugungen, die ihrem jeweiligen Volkscharakter mehr entsprachen. Was ereignete sich tatsächlich in der Übergangsphase von Antike zu frühem Mittelalter, der Zeit der Völkerwanderung?
Die vorrangige Frage aber lautet: Welches Interesse hatte die allmächtige Kirche, die Geschichte und den Kalender des christlichen Abendlands zu fälschen? Wenn Geschichtsfälschung geschieht, wird immer eine andere unbequeme Geschichte, also Wahrheit, damit verdrängt. Was musste durch die Kalenderfälschung verheimlicht werden?
Im Jahr 2001 wurde ich in Kürnbach, der alten badischen Reichstadt, auf eine Kalenderinschrift aufmerksam gemacht, welche der Schlüssel zur Lösung des Rätsels sein kann. An der Stelle, an der einst das Katzenhöfer Tor in der Stadtmauer stand, findet man ein altes Relief in einer Scheunenwand eingemauert, das neben dem Wappen der Ritter von Sternenfels das Datum 3496 zeigt, und zwar in den alten Zahlen und Zahlbildern, die noch Albrecht Dürer verwendete (Abb. 1).
Statt der 3 sieht man aber drei senkrechte Striche, wie sie in lateinischer Schreibweise für die 3 stehen. Doch nur einer der drei Senkrechten wird als Zahl, nämlich als 1 gedeutet, also das Datum 1496 gelesen. Die beiden anderen senkrechten Striche werden schlicht ignoriert – als hätte hier Hirnwäsche massiv Wirkung gezeigt.
Allgemein deuten Historiker die drei senkrechten Striche als ein M, das in gotischer Minuskel geschrieben sei und für Millenium (1000) stehen soll.
Allgemein deuten Historiker die drei senkrechten Striche als ein M, das in gotischer Minuskel geschrieben sei und für Millenium (1000) stehen soll. Doch die drei Striche sind keineswegs durch Seriphen miteinander verbunden, stehen also frei. Und keiner kann erklären, warum diese seltsame Mischung aus Zahlen und Buchstaben, ein frappanter Stilbruch in Zeiten, da man doch so stilbewusst war, überhaupt geschehen sein soll.
Interessant ist, wie aus drei senkrechten Einsern, die auch im römischen Zahlensystem und den arabischen Gupta-Inschriften vorkommen, die heutige 3 wird. Georges Ifrah zeigt in seiner „Universalgeschichte der Zahlen“ Tabellen, in denen die drei Zahlstriche durch einen Querstrich verbunden wurden, aber auch Strichverknüpfungen vorkommen, die an ein M erinnern. Uwe Topper kennt mittelalterliche Epigraphe an Spaniens Kirchen, wo dieses M ebenfalls vorkommt – allerdings in runder Form (I) – aber ebenfalls als M für Millenium interpretiert wird. Offenbar ist hier die 3 einfach zur Seite gekippt. Die mittelalterlichen Zahlen waren oft in sämtliche Richtungen verdreht. Verursacht wurde das durch eine Abacus-ähnliche Rechentafel, die mit runden Zahlsteinen aus Horn, sog. Appices operierte. Erst mit der Einführung der Buchdruckkunst wurde eine Normierung der Zahlbilder durchgesetzt, die bis heute gilt. In Inschriften mit Datum, bei denen ein Minuskel- oder rundes M erscheint, handelt es sich also um eine gedrehte 3.
An der unmittelbar benachbarten gotischen Kirche in Kürnbach zeigt der Gründungsstein die Zahl 1499 in denselben altdeutschen Ziffern und wohl von derselben Steinmetzhand eingeschlagen, nur diesmal sind von den 3 senkrechten Strichen, die am Tor für die Zahl 3 standen, die ersten beiden weggelassen worden.
Offenbar hat hier derselbe Steinmetz eine uns völlig unterschlagene Zeiten- und Kalenderwende illustriert, bei der 2000 Jahre einfach unter den Tisch fielen.
Weitere Belege sind das Datum an der Stadtkirche von Bietigheim, 1544, auch als 1445 lesbar, das anstelle drei senkrechter Einser diese drei Ziffern zu einer einzigen zusammengefasst zeigt (Abb. 2). Handelt es sich dabei um eine Symbolisierung der im Kern auf die Kalenderproblematik zurückgehenden Dreieinigkeitsdebatte der katholischen Kirche?
Entlarvend ist auch, dass die 1000er im angeblich römischen Zahlsystem auch völlig anders dargestellt zu finden sind. Viel häufiger erscheint die Form I) für 500, (I) für 1000, (I)(I) = 2000, I)) = 5000, ((I)) = 10000, (((I))) = 100000, etc. So veröffentlichten noch Descartes und Spinoza 1637 bzw. 1677 Werke mit Jahreszahlen dieser Form.
2.- Die Jahreszahl 3000 = III in römischen und arabisch-gotischen Ziffern auf Grabplatten und Inschriften
Als ich 2001 meine Lösung des Fälschungsrätsels in Synesis 2/2001 vorstellte und auf die Kürnbacher Torinschrift mit der Jahreszahl III496 hinwies, wurde mir zurecht vorgehalten, dass man auf lediglich eine bzw. zwei Inschriften kein theoretisches Gebäude errichten kann. Forschungsbedarf nach weiteren Belegen war seither vorhanden.
Mit der Reihe „Die Deutschen Inschriften“ erfasst die Akademie der Wissenschaften in Berlin alle erreichbaren Epitaphe und steinernen Inschriften aus Deutschlands Städten, Gemeinden, Klöstern und Domen und stellt sie der Fachwelt zur Erforschung bereit. Die hier vorzustellenden Belege für einen alttestamentarischen Kalender stammen ausschließlich aus dem Studium zweier baden-württembergischer Bände und dem Band über Würzburg, die Reihe jedoch umfasst mehr als 67 Bände, die alle dahingehend untersucht werden können, dazu kommen noch mehr als 70 Bände über deutsche Inschriften in anderen Verlagen.
Wie man feststellen kann, benutzen die mittelalterlichen Steinmetze bei ihren Datierungen sowohl arabisch-gotische als auch römische Ziffern, wobei die römischen Zahlzeichen mit der gotischen Minuskel geschrieben wurden. Während man allgemein bestrebt war, entweder nur römische oder nur arabisch-gotische Ziffern zu verwenden, kamen manche auf seltsam „bastardisierte“ Formen aus beiden Ziffernsystemen, so jedenfalls wird es dargestellt. Vor allem wenn es darum ging, die 1000 darzustellen, wurde den Autoren zufolge das römische „m“ verwendet, während die nachfolgenden Zahlen in arabischen Ziffern dargestellt wurden.
Beispiele wie in Kürnbach fand ich wiederholt. Es kann sich dabei keineswegs um ungelenke Mischformen handeln, sondern um die ursprüngliche Schreibweise des frühmittelalterlichen Kalenders. Alle heute als rein römisch oder rein gotisch-arabisch erscheinenden Formen sind demzufolge spätere Entwicklungen und Abwandlungen der Ursprungsform.
Es ist logisch, dass eine derart elementare Fälschungsaktion auf Perfektion angelegt war und alle störenden Jahresinschriften beseitigen wollte. Im Verhältnis zur Gesamtzahl der steinernen Inschriften haben tatsächlich nur einige wenige diese Aktion überstanden. Doch da die Untersuchung sich nur auf Baden-Württemberg, und das nicht einmal umfassend, und auf Würzburg beschränkte, dürften also sicher noch weitere überzeugende Beweise in ganz Deutschland und anderen Ländern Europas zu finden sein, wie Uwe Topper schon mit seinen Beobachtungen in Spanien angedeutet hat. Als ähnliches Indiz wertet Topper (2006, S. 295) die Inschrift auf dem Roland vor dem Brandenburger Rathaus mit der Jahreszahl 556, die aber als 1556 gelesen wird, obwohl die erste Ziffer nicht mehr zu erkennen ist.
Was mich beim Studium der Würzburger Grabplatten-Daten verblüffte war, dass dieses Schriftbild der gotischen Minuskel zur Darstellung römischer Ziffern äußerst präzise und permanent einheitlich über einen langen Zeitraum unverändert verwendet wurde. Quasi vom 12. bis zum 16. Jh. hat man auf Würzburger Grabplatten, aber auch auf anderen Grabplatten süddeutscher Kirchen, dieselbe einheitliche Schrift (Abb. 3, 4).
Total irritierend ist, dass die Steinmetze die Anno Domini Datierungen, welche sie immer oben auf der Randleiste der Grabplatten eingravierten, vom Platzbedarf durchgängig zu knapp kalkulierten, so dass zwar das „m“ für Millenium (tatsächlich III) noch horizontal am oberen Rand erscheint, die nachfolgenden römischen Ziffern aber um die Ecke geknickt auf der rechten Randleiste nach unten geschrieben stehen. Diese umgeknickten Datierungen erscheinen von mindestens 1320 bis 1570. Die erste Ziffer der vier Zahlstellen wurde also ganz besonders hervorgehoben, als wäre man sich bewusst gewesen, welch krummer Hund hinter diesen faulen Jahreszahlen mit der falschen Tausenderzahl lauert… Erst ab dem 16. Jh. war man offenbar fähig, den Platzbedarf für eine korrekte Inschrift zu kalkulieren, geknickte Jahreszahlen gab es dann nicht mehr. Das Schriftbild ändert sich mit der Mode, was auch natürlich ist, alle paar Jahrzehnte.
Diese Einheitlichkeit der süddeutschen Grabplatten-Datierungen läßt erkennen, dass hier nur wenige Steinmetze, vielleicht nur eine Werkstatt mit Söhnen und Gesellen, in die Aktion involviert waren. Es gab wohl einen zentralen Auftrag, die große Zahl der Kirchen mit diesen falschen Beweisen für eine erfundene Geschichte zu versorgen.
Historiker erkennen auch an, dass es Grabinschriften gibt, die erst Jahrhunderte nach dem Ableben der angeblich unter den Grabplatten Bestatteten geschaffen bzw. gefälscht worden sein können. So hält man den Grabstein des Bischofs von Hildesheim Konrad II. mit der Jahreszahl 1248, welcher erst 1930 bei Grabungen in der alten Klosterkirche gefunden wurde, aufgrund der stilistischen Merkmale für eine Steinmetzarbeit des 15. Jh.! Der Steinmetz muss sich außerdem geirrt haben, da aus den Urkunden als Sterbedatum das Jahr 1249 hervorgeht. Eine doppelt gemogelte Fälschung ist nicht unbedingt sicherer.
Diese Jahreszahlen auf Grabplatten werden öfter mal in Zweifel gezogen. In Schellbronn-Neuhausen in der katholischen Pfarrkirche gibt es eine Jahreszahl „1134“. Sie stammt aus einer im 18. Jh. abgerissenen Kapelle. Der so datierte Tote soll aus dem Adelshaus derer von Gemmingen stammen. Die Gemmingens jedoch werden erst ab 1407 urkundlich erwähnt. Deshalb ist natürlich auch zweifelhaft, ob es diese frühe Form der modernen „3“ in der Jahreszahl 1134 schon damals gab, oder sie nicht erst später erfunden wurde.
Da ich die ersten derartig gefälschten Grabplatten in Würzburgs Kirchen, Klöstern und Museen entdeckte, beschäftigte ich mich mit dem Gedanken, wer eigentlich unter diesen Grabplatten in den Kirchengrüften als Alibi einer offensichtlich falschen christlichen Geschichte begraben liegt.
Auf die Würzburger Grabplatten stieß ich eigentlich über eine andere Entdeckung. In Südwestdeutschland wurden seit 1990 etliche monumentale Bauwerke entdeckt, die den Cairns West- und Nordeuropas ähneln, aber in Steinbrüchen errichtet wurden. Da wir (2001, CFG m. Uwe Topper, Gernot Geise, etc.) auf dem südlich von Würzburg gelegenen Marsberg eine riesige vorgeschichtliche, heute völlig vergessene Nekropole aus steinernen Stufenpyramiden gefunden haben, deren drei bis jetzt begehbare Grabkammern leer sind, vermute ich die fehlenden Knochen in den Würzburger Grüften. Auch von etruskischen Gräbern ist bekannt, dass fromme Nonnen im Mittelalter diese bargen und in geweihter Erde bestatteten.
Vor allem die Tatsache, dass an den Marsberg-Grabkammern die Portal-Verschlussplatten fehlen (Abb. 5), diese aber die Größe der Würzburger Grabplatten haben, lässt mich daran glauben. Vermutlich hat man diese mit den Gebeinen gleich mitgenommen!
Somit stellt sich die Frage, ob die Grabplatten mit den gefälschten Jahresdaten Gebeine verbergen, die nicht in christlicher Zeit Verstorbenen gehören, sondern aus Gräbern stammen, die der heidnischen Epoche zuzuordnen sind. Waren die in den Kirchen zwischen dem 14. und 16. Jh. Bestatteten also ursprünglich gar keine Christen sondern Heiden, vormals begraben in megalithischen Grabmonumenten, in riesigen Cairns? Waren die angeblichen christlichen Priester in Wirklichkeit noch keltische Druiden, die christlichen Ritter tatsächlich heidnische Krieger und Herrscher?
Während man die Baugeschichte der großen Cairns und Stufenpyramiden nach der jetzigen Chronologie schon 2200 v. Chr. europaweit enden läßt, konnten nach offizieller Meinung der Archäologen diese heidnischen Gräber in der Kleinausführung, als Steingrabhügel mit Steinkiste, von Alemannen und Franken noch bis zum 9. Jh. n. Chr. gebaut werden. Normal für Christen ist aber nun mal die Bestattung auf dem Gottesacker oder in Kirchengrüften, also in geweihter Erde nahe bei der Kirche.
Die einzeln oder in Gruppen im Wald liegenden Steingrabhügel aber dokumentieren auf eindrückliche Weise, wie spät erst auch nach der herrschenden Chronologie das Christentum sich in Deutschland verbreitete. Wenn wir die Fälschungen der Würzburger und anderer Grabplatten in Rechnung stellen und das 16. Jh. als Fälschungszeitraum für die davor liegenden Jahrhunderte begreifen, kommt tatsächlich die ganze Zeit davor in heidnisches Zwielicht.
3.- Alttestamentarische Ars-Mundi-Kalenderdaten im Mittelalter
Hier nun die wenigen noch vorhandenen Beweise für einen ursprünglichen, noch nicht christlichen alttestamentarischen Kalender. Wohl aufgrund der entlarvenden Konsequenzen bildet die Akademie die „bastardisierten“ Inschriften nicht ab, es gibt lediglich Nachbildungen in Lettern.
1. Den Auftakt macht eine Inschrift, dessen Hersteller wohl der ganzen unehrlichen Kalendermisere entgehen wollte. Man findet sie auf dem Grabmal des Ludwig von Nippenburg in der evangelischen Pfarrkirche St. Georg in Schwieberdingen Dieser Steinmetz brachte weder eine senkrechte I noch eine gotische Minuskel m (III) an der Tausenderstelle, sondern verzichtete auf beide und beließ es lediglich bei den Zahlen ab der Hunderterstelle. So lautet die Zahl „.4.9.8.“, wobei die 4 die alte gotische Form einer Schleife, also einer halben Acht hat. Ehrlicherweise lautet die Jahreszahl 3498, ist also erst zwei Jahre nach dem Kürnbacher Datum 3496 entstanden.
2. Am evangelischen Gemeindehaus von Liedolsheim-Rußheim ist ein Inschriftenstein angebracht, der die Jahreszahl „m517“ zeigt. Die Ziffern 5 und 7 haben die alte gedrehte und verkürzte gotische Form. Die m ist ebenfalls in der gotischen Minuskel gehalten, besteht also aus drei senkrechten Strichen III (3), damit also die Jahreszahl 3517.
3. In Dürrmenz Mühlacker ist an der inneren Westwand der evangelischen Pfarrkirche der Grabstein des Pfarrers Stephanus Edelmann angebracht, seine Jahreszahl: „m524“. Da das m ebenfalls in gotischer Minuskel als III (3) geschrieben ist, lautet die Jahreszahl folglich 3524.
4. In Bruchsal, im städtischen Museum des Schlosses, ist das Wappen des Echter von Muspelbrunn aufbewahrt. Es zeigt das Zahlbild „I /// 546“, welches als 1546 gelesen wird, faktisch jedoch 3546 bedeutet. Die gebündelten III sind in Schrägform ausgeführt, werden also auch nicht als gotisches Millenium-M gedeutet, womit sich also generell die Idee der drei senkrechten Striche als Millenium-M von selbst erledigt. Die I vor der III ist damit das Zeugnis für die erfolgte Kalenderreform/-reduktion um 2000 Jahre und muß später hinzugefügt worden sein. Die 1 hat hier also die 3 ersetzt, eindeutig ein Hinweis, dass tatsächlich drei senkrechte Striche als 3 gelesen wurden.
5. In Rechberghausen ist am einzig erhaltenen von ursprünglich drei Toren, am Oberen Tor, an der Südostecke des Hauses in 4 m Höhe eine Inschrift angebracht, die „ano I iii 34“ lautet. Wiederum haben wir eine alte Form der 3 vor uns, die durch senkrechte Striche mit Pünktchen dargestellt wurde, also kein m. Die Zahl wird als 1334 gedeutet. Was sie wirklich bedeutet, läßt sich vor Ort nicht feststellen, da mitten durch die Inschrift ein Regenabflußrohr angebracht wurde (absichtlich?).
Anzunehmen ist, daß die Inschrift 3340 lautet und die letzte Ziffer, die O, durch einen jetzt erodierten oder übersehenen Punkt dargestellt wurde. Die Pünktchen über den drei senkrechten Strichen könnten als Null gedeutet werden, welche diese Zahl nach Anbringung der neuen Eins nachträglich nullen sollten. Deutlich wird anhand der Rechberghausener Inschrift III340, dass eine Zeitlang die alte Zahlenform III neben der modernen 3 verwendet wurde, offenbar nur als Jahrestausenderzahl. Wohl zu dieser Zeit entstand erst die heutige 3 als Verknüpfung dreier senkrechter Striche, die anfangs wie ein m aussah. Durch Drehen der damals gebräuchlichen Zahlensteine formte sich erst mit Einführung der Buchdruckkunst und des damit normierten Zahlenbildes die heutige Zahl, m => 3, heraus.
6. Dieselbe Punkt-Null wie in Rechberghausen findet man auf der Grabplatte eines unbekannten Stiftsherrn in der evangelischen Pfarrkiche von Göppingen mit der Jahreszahl „dni m.48[.]“, gedeutet als 1480, in Wirklichkeit 3480.
7. Ebenfalls in der Göppinger Pfarrkirche gibt es die Grabplatte des Johann Stang „Anno domi . m cccc . 88“, als 1488 gelesen. Durch die gleichwertige Verwendung von römischen und arabisch-gotischen Ziffern darf man auch hier anstelle des gotischen Minuskel m (III) eine Drei vermuten, also 3488.
Hier wird sogar der Ursprung der römischen Ziffern deutlich, die vermutlich erst nach den arabisch-gotischen entwickelt wurden. Die 4 Cs stellvertretend für 4 x 100 dürften in einem frühen Entwicklungsstadium der römischen Zahlen entstanden sein, als logische Weiterentwicklung dreier senkrechter Striche für die 3 an der Tausenderstelle, nun vier senkrechte eingebogenen Striche (in der Form von Cs) für die nachfolgende Hunderterstelle. Des weiteren fiel mir auf, dass einige Steinmetze mit der korrekten Anwendung der römischen Ziffern und ihrer Semantik nicht vertraut waren. Während allgemein üblich das m für Millenium = 1000 steht, brachten diese auch Varianten wie D D = 500 + 500, oder XVC, was 15 x 100, also 1500 bedeuten sollte.
4.- Der vielleicht ganz andere Ursprung der „römischen“ Ziffern
Hier wird deutlich, dass der Steinmetz mit den gotisch-arabischen Ziffern vertraut war und sogar mit ihnen multiplizieren konnte, was mit römischen Ziffern nicht möglich ist, er aber hier dennoch dargestellt hat. Auch das ist nur aus einer damals stattgefundenen Entwicklung der römischen Ziffern im Versuchsstadium zu erklären, als es noch keine allgemeine Übereinkunft über die korrekte Anwendung der angeblich „römischen“ bzw. „römerzeitlichen“ Ziffern gab.
Die hier erkennbare Entwicklung macht auch klar, warum mit römischen Ziffern nicht gerechnet werden konnte. Römische Zahlen erscheinen fast ausschließlich als Jahreszahlen auf steinernen Inschriften und in Urkunden. Sie hatten und haben also lediglich repräsentative, aber keinerlei praktische Rechenfunktion, man kann auch statt repräsentativ vortäuschend sagen. Man sucht „römische“ Ziffer-Inschriften und findet diese nur in einem recht überschaubaren Spektrum.
Die römischen Ziffern – sind sie also nur als ein Produkt der Renaissance-zeitlichen Grabplattenfälschungen entstanden?
Uwe Topper hält dagegen, dass es sehr wohl römische Ziffern-Inschriften in weiten Teilen Europas gab, und zwar auf „römischen“ Meilensteinen und auf byzantinischen Münzen. In Deutschland gefundene „römische „Meilensteine werden als „Leugensteine“ bezeichnet, und zwar, weil sie ein völlig anderes Maßsystem als das römische ausweisen. Die keltische Leuge hatte eine Länge von 2,222 km im Gegensatz zur römischen Meile mit 1,48 km. Diese 2,222 km aber sind der 50. Teil eines Breitengrades und damit der 50 x 360. Teil des Erdumfangs, womit bewiesen wäre, dass die Kelten die genauen Maße der Erdkugel kannten und ihnen die Scheibengestalt der Erde gänzlich unbekannt war. Die Existenz des keltischen Leugenmaßes läßt darüber nachdenken, ob die „römischen“ Ziffern nicht überhaupt in Celtae, dem europaweiten Reich der Kelten, entstanden, vielleicht auf alten Menhiren eingekerbt waren, die erst in romanischer, nicht „römischer“ Zeit, zu Säulen umgearbeitet und zusätzlich mit lateinischen Schriftzeichen versehen wurden. Die alten, also keltischen Ziffern übernahm man dementsprechend.
Fragt sich also, wo die „römischen“ Ziffern überhaupt herkamen. Hier gibt Georges Ifrah wieder die beste Erklärung. Anhand seiner Ableitungen kann man sehr gut nachvollziehen, dass einfache Kerbhölzer, wie sie Hirten „seit unvordenklichen“ Zeiten verwendeten, das Zahlbild der römischen, aber auch etruskischen Ziffern hervorbrachten. Ein Manko allerdings beinhaltet die Theorie: Kein einziger Beweis bzw. Indiz (z. B. ein mit diesen archaischen Ziffern gekerbter Knochen) wurde entdeckt, der belegen könnte, dass diese Entwicklung in Italien stattgefunden hätte. Alle Beispiele, die Ifrah anführt stammen aus anderen Ländern, z. B. aus Dalmatien, was geographisch noch am nächsten liegt, vor allem aber aus nördlichen Gegenden. In Nordtirol und in den Schweizer Alpen sind Kerbhölzer zum Zählen des Viehbestands der Bauern noch heute bekannt. Diese „bizarren“ Zahlzeichen tauchen aber auch auf hölzernen Kalendertafeln und -stöcken auf, und zwar „seit dem Ende des Mittelalters bis ins 17. Jh. in England, Deutschland, Österreich und Skandinavien“, insbesondere in den skandinavischen Runenkalendern. Festgehalten werden muss: Die nächsten Verwandten der „römischen“ Ziffern sind nicht vor dem Ende des Mittelalters nachweisbar, und dann auch fast nur in Mittel- und Nordeuropa.
5.-Indizien für den Fälschungszeitraum und die Fälscher
Doch zurück zum Ars Mundi-Kalender. Einen eindeutigen Hinweis auf den alten A. M.-Kalender liefert eine Inschrift an der Heidelberger Peterskirche. Auf dem Epitaph des Johann Theodor Wamboldt von Umstadt im Chor der Kirche steht, dass jener „der Göttin Themis“ (Wächterin über Recht und Gesetz) und als „Kammerer Stabler“ dem Fürsten Johann Casimir gedient habe. In solch gebildeten Kreisen konnte man auch unverhohlen auf die erfolgte Kalenderreform anspielen. So lautet das Datum „ANTIQVI A. M. D. LXXX IX“, was als antiqui anni = Datierung alten Stils gedeutet wird, aber auch als Abkürzung von antiquitas = altertümlich/von alters her/vordem kombiniert mit A. M. = Ars Mundi (nach Erschaffung der Welt) zu verstehen ist. Auf die Tausenderzahl wird ehrlicherweise wiederum verzichtet, also lautet die Jahreszahl 3589, das Jahr der Gregorianischen Kalenderreform. Das aber kann wohl kein Zufall sein. Brachte diese Reform letztendlich erst das Ende des alttestamentarischen Kalenders? Anzumerken ist, dass es eine große Zahl gültiger Ars Mundi Kalender gab, die völlig verschieden datierten. Gregors Reform vereinheitlichte diese.
Anzunehmen ist, dass der Kalenderwechsel schließlich mit der Kalenderreform in diesem Jahr seinen Abschluss fand und also nicht nur die bekannte Reduktion um 10 Kalendertage beinhaltete, sondern die Streichung von glatt 2000 Jahren.
Die Heidelberger Inschrift macht erstaunlich deutlich, wem die Fälschungsaktion zu verdanken ist. Es war der weltliche Adel, der in der vor allem italienischen Renaissance Macht über die Kirche ergriff und sich in Kirchenämter einkaufte, ja sogar das Papstamt sich aneignete. Ich habe bereits in einem SYNESIS-Artikel (2/2003) darauf hingewiesen, dass diese Machtübernahme druidisch geprägter Kreise mit einer neoheidnischen Renaissance der Vielgötterei einher ging, indem man den althergebrachten universalen monotheistischen Gottesbegriff durch die Dreifaltigkeit Gottes ersetzte. Das sinnfälligste Zeichen für diesen Paradigmenwechsel ist das Erscheinen des Auges Gottes im Dreieck, sowohl Zeichen der geheimbündnerischen Freimaurer als auch häufiges Bildnis an Altären und in Kirchenkuppeln der Renaissance.
Was also hat sich da tatsächlich zugetragen in der Zeit um 1500? Bis dahin galt offenbar ein Kalender, der sich an den Daten des Alten Testaments orientierte. Der Kalender beginnt mit der Erschaffung der Welt und zählt dann ab Adam und Eva die Lebensalter der aufgeführten Patriarchen, ob diese nun glaubhaft sind oder nicht. Deshalb gab es auch verschiedene Ausführungen. Diese Ars-Mundi-Kalender wurden in der Antike und im Mittelalter in der religiösen oder philosophischen Literatur erwähnt und beziehen sich alle auf das Geburtsjahr Jesu. Sie zählen die Jahre seit der Erschaffung der Welt bis zu diesem Zeitpunkt. Der jüdische Kalender nennt z. B. das Jahr 3761als Geburtsjahr Jesu.
3761 (Jüdischer Kalender)
3941 (Hieronymus)
4000 (Freimaurer)
4004 (Hebräisches Datum)
4700 (Samaritaner Datum)
5000 (Demetrios)
5200 (Eusebios)
5493 (Alexandrinisches Datum)
5500 (Julius Sextus Africanus)
5508 (Byzantinisches Datum)
5515 (Theophilus)
5551 (Augustinus)
5872 (Septuaginta).
Welcher der oben aufgeführten Kalender war die Grundlage für die Fälschung? Es muss ursprünglich einen alttestamentarischen Kalender gegeben haben, der das Datum der Geburt Jesu noch nicht kannte, aber um das Jahr 1500 A. D. alle Jahre des Alten Testaments enthielt und einen fraglichen Zeitraum danach. Nun stellt sich die Frage, wann das Alte Testament endet. Wenn man „Die Bibel in heutigem Deutsch“ zu Rate zieht, ist dies 424 v. Chr., das letzte Regierungsjahr des persischen Königs Artaxerxes. Wir müssen also feststellen wie lange der Zeitraum von Erschaffung der Welt bis dahin ist. Jede der oben aufgeführten Zahlen minus 424 Jahre kommt erst einmal in Frage.
Das Ergebnis muss aber eine Jahreszahl im 3000er-Bereich ergeben, da nur eine solche Zahl um 2000 reduziert ein entsprechendes mittelalterliches Kalenderdatum im 1000+x-Bereich ergibt. Hätte man um 1500 A. D. den Septuaginta-Kalender um 2000 Jahre reduziert, wäre ein Kalender im 3000-Bereich entstanden. Wir würden also heute im Jahre 3000 oder sogar 4000+x leben. Nur die ersten vier genannten Kalender haben die größte Wahrscheinlichkeit, damals in Gebrauch gewesen zu sein, wobei natürlich der jüdische erst einmal große Präferenz hat, aber auch das Datum des Hieronymus, des großen Kirchenlehrers aus Dalmatien (347 – 420), angeblich Klostervorsteher in Bethlehem und Ratgeber des Papstes Damasius. Ihm haben wir die lateinische Bibelübersetzung „Vulgata“ zu verdanken.
Nun gibt es einen berechtigten Einwand. Um 1500 hat der jüdische Kalender schon das Jahr 5261 Ars Mundi gezählt. Nur, wissen wir wirklich, dass es damals bereits diesen heute gültigen jüdischen Kalender gab? Jüdische Grabsteine mit Jahresinschriften lassen sich kaum bis in diese Zeit zurückverfolgen. Hebräische Zahlen wurden durch hebräische Schriftzeichen ausgedrückt, deren Zahlwert nicht immer eindeutig ist. Wir wissen aber, dass es im Mittelalter tatsächlich mindestens einen Kalender gab, der im 3000er-Bereich numerierte. Ich fand ihn in den „Deutschen Inschriften“. In Hochberg Remseck a. N. war an der 1852 abgebrochenen evangelischen Pfarrkirche folgende Bauinschrift angebracht:
„3960 Jarr hat die Welt gestanden Biz zur zeit da sich Mesiah Melchisich (Melchisedech) Ampt hat underfangen zall forr 1554 Jarr Am 16 Apprillens felt nit um ein harr. Hat dise Kirchen wider zum gebeid… erengebracht.“
Das Datum kann mit dem im Kürnbach verwendeten Kalender nicht in Einklang gebracht werden. Doch so rätselhaft der Sinn dieser Inschrift ist, sie verrät uns doch einiges. Melchisedech gilt laut Hebräer 7,1ff. als der alttestamentarische Priester, der neben Jesus als Sohn Gottes bezeichnet wird. Ja, Jesus wird sogar als der zweite Melchisedek bezeichnet. 1554 war die Bedeutung des Alten Testaments also noch größer als die des Neuen, jedenfalls in Hochberg. Hier waltet also ein Amt, das sich nicht auf Jesus Christus, den Stifter des Christentums, bezieht, sondern ihm die Bezeichnung als Messias streitig gemacht und dem aus der Genesis bekannten Melchisedek zuerkannt hat. Ein eklatanter Beweis, dass katholisches Christentum damals noch nicht die Regel war. Offensichtlich stehen hier die Jahresdaten 3960 und 1554 gleichwertig nebeneinander.
Demzufolge hat es damals tatsächlich einen älteren alttestamentarischen Kalender neben dem neuen christlichen gegeben, allerdings wieder in einer anderen Zählweise, jedenfalls nicht in derjenigen, die in Kürnbach um 2000 Jahre gekürzt wurde, wenn die Transskription überhaupt stimmt. Uwe Topper weist darauf hin, dass die 9 der 3960 ebenfalls eine Schleife in Form einer halben 8, also eine 4 gewesen sein könnte, demnach die Jahreszahl 3460 bzw. 1460 gelautet habe. Nachschauen kann man nicht mehr, da die Kapelle abgerissen wurde und der Inschriftenstein unbekannten Ortes verzogen ist.
War also damals in Kürnbach und andernorts, vor 1500 A. D., ein jüdischer alttestamentarischer Kalender das zeitliche Maß aller Dinge? Frühe Christen scheiden aus, da der ursprüngliche Kalender das Geburtsjahr Christi nicht kannte. Demnach wäre dies eine evidente und faktische Bestätigung für die These des anglikanischen Klerikers Edwin Johnsons, dass das Christentum erst um 1500 A. D. entstanden sei und erst mit den tridentinischen Konzilien seine endgültige Fassung erhielt.
Zudem muss man davon ausgehen, dass alle Päpste vor Eugen IV. (~1431) sich auf lediglich 12 oder 13 reduzieren, die Papstliste also gefälscht ist und ein Papst Damasius, Zeitgenosse des Hieronymus, gar nicht gelebt hat (Synesis 2/2001 „Die Fälschung der Papstliste“). Folglich ist auch ein Kirchenlehrer Hieronymus in der angegebenen Zeit wenig glaubhaft. Er kann allerdings um 1500 gelebt haben, als der Kalender gewechselt und die Geschichte gefälscht wurde. Hier, als mit dem Beginn des christlichen Kalenders auch die christliche Religion erst richtig Boden gewann, dürfte seine europaweit lesbare und gültige Vulgata geschrieben worden sein. Er dürfte auch die formative Kraft besessen haben, den Kalender zu definieren.
Stellt sich letztendlich die große Frage: Wenn vor 1500 das Christentum noch gar nicht in der heutigen Form existierte, ja nicht einmal Christi Geburtsjahr geschweige ein christlicher Kalender bekannt war, stattdessen ein Ars Mundi-Kalender verwendet wurde, der sich auf das Alte Testament stützte, spielte dann tatsächlich die jüdische Religion, die sich hauptsächlich auf den Pentateuch, die 5 Bücher Mose im Alten Testament stützt, eine völlig vergessene, da unterdrückte Rolle, wie die Vertreter der Hamburger Schule in den Publikationen des Utopia Boulevard durchblicken lassen? Dem widersprechen die massenhaften materiellen Zeugnisse aus frühchristlicher Zeit und die spärlichen Belege für eine jüdisch-orthodoxe Religion im frühen Mittelalter.
Die Lösung muss eine andere sein. Die Zeit des Neuen Testaments wird wohl ursprünglich im Zeitrahmen des Alten Testaments enthalten gewesen sein. Dafür bietet sich die Zeit des Babylonischen Exils an, als die Elite Judäas aus Jerusalem entfernt worden war, die Einwohnerschaft jedoch weiterhin unter Besatzung leben musste (-597 bis -536), keine römische, aber eine chaldäische (keltische bzw. gallo-romanische) Besatzungsmacht, die zeitlich mit den Kreuzfahrerstaaten des 12. Jhs. korreliert. Die Bibel berichtet nichts davon, was zu dieser Zeit in Jerusalem geschah. Das kann und darf wohl die Zeit Jesu gewesen sein.
Als um 1500 im Zuge europaweiter Judenpogrome eine Distanzierung zur jüdischen Kultur und Religion stattfand, führte dies wohl zu einer Emanzipation vom Alten Testament. Hier folgend die Thesen: Man löste die Zeit Jesu aus dem Alten Testament heraus und fasste dessen Heilsgeschichte in den Rahmen des Neuen Testaments. Der christliche Kalender wurde binnen kurzer Zeit geschaffen, indem man, wie in Kürnbach erkennbar, einfach 2000 Jahre aus dem Ars Mundi-Kalender strich.
Auch die Zeitspanne des Fälschungszeitraums kann man genau beziffern. Wenn das Alte Testament mit dem Ende der Regierungszeit des Perserkönigs Darius II. 405 v. Chr. schließt, bedeutet das nach dem jüdischen Ars Mundi-Kalender ein Ende im Jahr 3356 A. M, oder um 2000 Jahre verkürzt 1356 A. D. Bis dahin muss die Zeit des Alten Testaments ursprünglich gereicht haben.
Während die reale Geschichte nach dem Ende des Alten Testaments und der Einführung des neutestamentlichen Kalenders sich in den knapp 140 Jahren zwischen 1356 und ~1500 A. D. ereignete, mussten die Geschichtsfälscher den heute gültigen Zeitraum von 405 v. Chr. bis 1500 n. Chr., also ~1900 Jahre Phantomzeit, durch reine Erfindungen auffüllen. Petavius und Scaliger, denen wir die heute gültige Chronologie verdanken, und andere Gelehrte aus deren Umkreis dürften dann in der Zeit vor 1600 diesem neuen Christlichen Kalender die heute bekannten Phantomjahrhundete und -epochen (im Fälschungszeitraum zwischen dem Ende des Alten Testaments um 400 v. Chr. und 1500 A. D.) gegeben haben.
Damit ist das Rätsel der Geschichts- und Kalenderfälschung weitestgehend gelöst! Eine Rekonstruktion der tatsächlichen Ereignisse rückt in greifbare Nähe.
Literatur
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Eckert, Hermann (1935): Die deutschen Inschriften in Baden vor dem Dreissigjährigen Krieg / von Hermann Eckert. – Bühl-Baden : Konkordia, 1935. – 115 S. : Ill.; (dt.) Bausteine zur Volkskunde und Religionswissenschaft ; 10, Zugl.: Heidelberg, Univ., Diss., 1935
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K. Walter Haug | Kraichgau (Karlsruhe) · 2006