Das große Vergessen

Bei Betrachten der Schriftgeschichte der Menschheit stellt sich einem schnell die Frage: Warum wußte Athanasius Kircher im 17. Jahrhundert nicht mehr, wie man die ägyptischen Hieroglyphen liest? Er erfand für diese Zeichen fantasievolle Lesungen und Deutungen, die auch seinen Zeitgenossen nicht geheuer vorkamen, aber von niemandem berichtigt werden konnten. (Abb. unseres Titelbildes: Canopus-Krug) Schon seine Vorgänger waren hilflos und hatten weltfremde Erklärungen für die Funktionsweise der Hieroglyphenschrift entworfen, wie z.B. Leon Battista Alberti (um „1450“), der sich auch wundert, warum weder er noch seine Kollegen die etruskischen Inschriften verstanden (siehe Wittkower S. 226).

Weshalb waren Napoleons Leute bei der Eroberung Ägyptens mehr als ein Jahrhundert nach Kircher immer noch so hilflos angesichts der Hieroglypheninschriften? Und warum gab es keine Kopten mehr, die Ägyptisch lesen konnten, obgleich diese Schrift noch bis zur Zeit von Kaiser Dekius (bis „251 AD”) benützt wurde? Oder die naheliegende Frage: Warum hatten die Griechen keine Wörterbücher oder Grammatiken des Ägyptischen angelegt, als sie in Alexandria tonangebend eine Bibliothek führten und das Wissen der Einheimischen, vor allem Mathematik und Geografie, auswerteten? Auf den herrlichen Obelisken in Byzanz und Rom stehen ägyptische Hieroglyphen; konnte sie niemand dort lesen? Und nicht einmal Keilschrift lasen die Griechen, wo doch in einem Teil ihres großen Kulturgebietes (zwischen Sidon und Baktrien) Keilschrift die vorherrschende Schriftform war? Und welche Schrift schrieben die Perser, nachdem sie die Keilschrift im „1. Jh. v.Chr.” abgelegt hatten? Zwischen diesem Zeitpunkt und dem „7.Jh. n.Chr.”, als sie die arabische Schrift übernahmen (siebenhundert Jahre später), klafft eine riesige Lücke, allerdings nicht in der überlieferten Literatur, – die soll fortgeführt worden sein – nur in den realen Schriftstücken. Die glänzendste Zeit der antiken persischen Geschichte, die der Achämeniden, kommt in den besten Geschichtswerken der späteren Perser nicht vor, weder in der Geschichte der Propheten und Könige von Tabari noch im Schahname von Firdosi (hierzu Topper 1999, S. 94-100), wo höchstens schwache Namensanklänge auftauchen, etwa an Chosrau, der nach heutiger Vorstellung ein Jahrtausend später lebte (was auch Rachet wundert, S. 247).

Es gibt gute Bücher über die Entzifferungsgeschichte der orientalischen antiken Schriften, zum Beispiel das von Johannes Friedrich (1954), aber kein Autor stellt die Frage: Warum mußte man diese Schriften im 19. und 20. Jahrhundert schrittweise entziffern? Hatte eine Katastrophe das dazu nötige Wissen ausgelöscht?

Die bisher gelehrte Übereinkunft hinsichtlich der Geschichtsschreibung ist für einen denkenden Menschen unannehmbar. Es fehlen drei Grundzüge im heutigen Geschichtsbild:

eine vertrauenswürdige Darstellung der Entstehungsweise dieses Geschichtsbildes, eine Geschichte der Geschichtsschreibung;
eine Untersuchung über die chronologischen Grundlagen der Geschichtsschreibung; es sollte eine lückenlose Aufhellung des Prozesses der Chronologie-Erstellung durchgeführt werden;
eine Einbeziehung der physikalischen Veränderungen der Lebensbedingungen (Klima, Geografie, Bevölkerungsdichte) durch kosmisch verursachte Katastrophen im Verlauf der jüngeren Geschichte.
Während die ersten beiden Fragen einigen Fachleuten inzwischen bewußt geworden sind, trifft die Ursache dieser Rätsel (Punkt 3) noch weitgehend auf Unkenntnis oder gefühlsbetonte Ablehnung. Ursache für die rätselhaften Lücken sind die kosmischen Sprünge, die die Lebensbedingungen auf der Erde brutal veränderten und die Entwicklung jedesmal umwälzten, wodurch auch viel Wissen verlorenging und mühsam wiedergewonnen werden mußte.

Das betraf vor allem die Zeitrechnung. Nur der Kalender, die genaue Tageszählung, hatte überlebt; die Kenntnis der geschichtlichen Jahreszahlen war abgebrochen. Für die Versuche, diese zu rekonstruieren, fehlten Anhaltspunkte. Wenn die Stellung der Erde im Verhältnis zu den Himmelskörpern verändert und damit unsere Meßlatte unterbrochen wurde, können astronomisch angestellte Rückberechnungen, die das nicht einbeziehen, nicht stimmen. Dies ist der Auslöser für die unvorsichtig und methodisch leichtsinnig erstellte abendländische Chronologie und in Folge davon für die notwendigen Betrügereien der religiös begründeten Geschichtsschreibung.

Geschichtliche Zeit läßt sich nur darstellen als die beobachtete Abfolge von Ereignissen. Ein Rückschluß von Zeitabschnitten abgelaufener Ereignisse auf nicht beobachtete Zeiträume ist daher unzulässig, genau wie ein Vorausblick, denn historische Zeit umfaßt nur die Ereignisfolge von einem vergangenen bis zum jetzigen Augenblick.

Chronologie ist das eiserne Gerüst der Geschichtsschreibung. Es geht um die abgelaufene Zeit, die mit astronomischen Beobachtungen begründet wird als Bewegung von Erde oder Sonne, Mond und Sternen, die wir in natürliche Abschnitte einteilen und abzählen können. Hierfür sind geeignet: Tag, Jahr und Präzessionszeitalter.

Die Beobachtung, daß sich durch die Präzession der kalendarische wie auch der optische Frühlingspunkt verschiebt, ist eine Grundlage für die Aufstellung von Chronologien seit der Antike und besonders in der Renaissance gewesen.

Die Präzession kann Änderungen unterliegen, die im Grenzfall sprunghaft sind. Bei Nichtkenntnis einer Änderung treten Verzerrungen in der Rückrechnung auf, bei Unkenntnis eines Sprungs ist eine rechnerische Feststellung über den davorliegenden Zeitraum gar nicht mehr möglich.

Einige Überlieferungen behaupten, daß zu einem bestimmten Zeitpunkt einer der sonst gleichbleibend langen Tage länger war als die Tage davor und danach: der Tag, an dem die Sonne stand. Dieser Moment kann als Anzeichen eines Sprungs aufgefaßt werden, wie in Teil 6 noch erklärt wird.

Aus den Messungen der alten Astronomen wird klar, daß das tropische Jahr nicht alle Zeit gleich lang war, sondern früher eine etwas andere Länge hatte, und daß die Änderung nicht allmählich sondern ruckartig vor sich ging. Aus dem Kalender mit fortgeführter Tageszählung wird erkennbar, daß der Frühlingspunkt Sprünge gemacht hat.

Einen solchen Sprung hatte ich (2006, S. 24 mit Abb.) so beschrieben: Bei einem kosmisch ausgelösten ‚Ruck‘ kippt die Drehachse der Erde um einen beobachtbaren Winkel in der Richtung ihrer Präzessionswanderung, sodaß die Sonnwende um eine entsprechende Anzahl Tage eher stattfindet. Für den Beobachter des Sternhimmels ist der anvisierte Stern um einige Grad weitergewandert. Die beiden gedachten Verlängerungen der Erdachse treffen andere Himmelspunkte als vor dem Sprung, nur der Schwerpunkt der Achse bleibt unverändert.

Abgesehen von den kurzen Momenten eines Sprunges ist die siderische Jahreslänge, das ist der scheinbare Umlauf der Sonne bis zur Wiederkehr vor demselben Sternhintergrund, für die historischen Zeiträume, die wir hier betrachten, stabil. (Schwankungen um Bruchteile von Sekunden interessieren uns hier grundsätzlich nicht.)

Soweit ein Ausschnitt aus dem Buch „Das Jahrkreuz“ (2016, Teil 5, S. 259-261). Einen anderen Ausschnitt aus diesem Buch zum selben Thema findet man hier.

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