Die Entstehung unserer Kalender
Zuerst veröffentlicht in: Efodon-Synesis N° 4, Juli 2004 (Hohenpeißenberg, Deutschland)
Teile dieses Artikels sind durch neuere Forschungen der Autoren überholt, vor allem Absatz 5. Siehe den neuen Aufsatz von Ilya U. Topper: Kalender und Präzessionssprung.
1. Nordischer Kalender
(Kapitel unter Auswertung von O. S. Reuter)
Im Sommer sehen die Nordeuropäer wenig vom Sternhimmel, nur einige ganz helle Sterne sind für kurze Stunden sichtbar. Entsprechend sind ihre Sternsagen arm und auf die Winterbilder bezogen. Außerdem erschweren die großen Abweichungen der Sonnenauf- und untergänge im Jahreslauf eine Bestimmung der Tageszeit. Es ergeben sich nördlich des Polarkreises sogar Schwierigkeiten, die Tage zu zählen. Gerade dort also wird die Erstellung eines genaugehenden Kalenders besonders wichtig gewesen sein. Wie zählt man die Tage im Hochsommer oder die im Mittwinter? fragte sich schon der Byzantiner Prokop (“550 AD”, die Daten in Anführungsstrichen dienen nur der Orientierung im konventionellen Bereich, die auch Reuter benützt; hier S. 18) und ließ sich von Nordleuten berichten, wie sie es machten: Der Durchgang des Tagesgestirns durch die Südlinie (Meridian) gilt ihnen als das Mittelmaß des 24-Stunden-Tages, erfuhr er. Man hatte dafür festgelegte Beobachtungsorte und Peilpunkte. Deswegen spielt die Nordrichtung eine wichtige Rolle: Dort wo die Sonne im Sommer am tiefsten steht, ist Mitternacht und Beginn des neuen Tages. Das Jahr begann im Winter, wenn die Tage wieder länger wurden.
Auch Beda Venerabilis schreibt, daß das Jahr für seine heidnischen Vorfahren an Mittwinternacht begann, und daß dieser Tag auf den 25.12. fiel (was später, als man Beda auf “725” datierte, als Fehler erscheinen mußte, Reuter S. 29). Die heidnische Mitternachtsmesse an Weihnachten ist im katholischen Kult erhalten geblieben, und ebenso die Mitternachtsmesse mit Verteilung des neuen Feuers in der Osternacht, die keinen Bezug zur “Historie” des Christus hat.
Der Tag begann also an Mitternacht und das Jahr an Mittwinternacht, denn dem Norden galt die Nordsüdrichtung (Meridian) als der Festpunkt aller Raum- und Zeitbegriffe.
Anders am Mittelmeer. Der Grieche Hipparch beklagte sich, daß bei ihm die Sonnenwenden so schwierig zu beobachten seien, weil die Sonne in den jeweils vierzig Tagen nahe der Wendepunkte kaum ihre Position verändere. Für die Griechen war daher die Äquinoktie (Ostaufgang der Sonne) die geeignete Orientierungslinie, an der sie alles festmachten. Abend (und Morgen) waren die Grenzlinien, denn sie blieben ja weitgehend gleich im gesamten Jahr.
Die räumliche Ordnung hatte kultische Auswirkungen: Der germanische Gerichtsherr betritt den Saal von Norden und sitzt an der nördlichen Langseite; er schaut nach Süden, von wo der Kläger eintritt. Die griechische Kirche (Basilika) hat den Altar an der Schmalseite nach Osten ausgerichtet. Später hat die katholische Kirche in Mitteleuropa gewaltsam (so steht es in den Chroniken) die Nordeingänge der Kultgebäude zumauern lassen, später auch die Südeingänge, und durch Anbau einer Apsis die Ostrichtung vorgeschrieben, die im germanischen Norden astronomisch nur als Winkelhalbierende zu ermitteln war. Aus dem Querhaus wurde ein Langhaus, schließlich mit Westeingang. Die Änderung der kultischen Feier muß drastisch gewesen sein. Einige alte romanische Kirchen haben allerdings noch die Nord- und Südeingänge statt des Westportals.
Der architektonische Wechsel gehört zur Änderung der Liturgie, die auch im Kalender ihren Ausdruck fand. Aus dem zweigeteilten Jahreskreis der Nordleute wurde durch die Einführung der Ost-Westlinie der viergeteilte, das Jahreskreuz, auffällig verbildlicht im irischen Hochkreuz, das noch einen Jahresring trägt (Abb.). Der Tag der Herbstgleiche wurde zum Festtag der Kreuzaufrichtung und der Ost-Tag der Sonne, Ostern, zur Kreuzigungsfeier. Daher ist die Bestimmung der Frühlingsgleiche für die Wahl des Ostertages der Kirche so wichtig geworden. Die ursprünglichen Jahreseckpunkte dagegen, die Sonnenwenden, also Johanni und Jul (Weihnachten), wurden auf den zweiten Rang verschoben.
Eine spannende Frage lautet: Warum beginnt unser Kalenderjahr am 1. Januar? Wenn unser Sonnenjahr auf den nordischen Kalender zurückgeht, was wir annehmen, dann müßte der Jahresanfang (1.1.) bei Einführung des Kalenders mit dem Solstitium (Wintersonnenwende) zusammengefallen sein.
2. Die beiden Jahreshälften
(nach Herman Wirth, siehe auch Zarnack)
Ursprünglich wurde das Jahr – das Wort hängt mit (got.) Era (und Ära) = Umlauf zusammen – in zwei Hälften geteilt. Das kann man an den ältesten Felsgravuren in der ganzen Welt ablesen: ein Kreis, der durch einen senkrechten Strich halbiert wird. An den Schnittpunkten liegen die Sonnenwenden. Diese tragen sprechende Namen, die sich erstaunlicherweise überschneiden: Die Wintersonnenwende heißt Julfest; dasselbe Wort spiegelt sich im Monatsnamen Juli. Umgekehrt ist der Wintermonat Januar und der Name des dazugehörigen doppelköpfigen Kalendergottes Janus im Sommer wiederzufinden: an Johanni. Heute sind die beiden Daten – Julfest und Johanni – um sieben Tage verschoben gegenüber dem eigentlichen Datum, dem Monatsersten. Der Monatsname gilt nämlich ursprünglich für den 1. Tag des Monats. “Maifeiertag” ist der 1. Mai; so benutzen auch heute noch die marokkanischen Berber den Monatsnamen für den 1. Tag des Monats, und der römische Gott Janus symbolisiert immer den 1. Januar.
In einer frühen Stufe, als die Sonnenwenden noch nicht um eine Woche aus dem Lot gekommen waren, wurde also das Julfest am Janus gefeiert und am (1.) Juli das Johanni-Fest. Wahrscheinlich gehen beide Wörter auf eine gemeinsame Wurzel zurück, drücken aber meist zwei verschiedene Ideen aus: Jan oder Johann bedeutet Jahr (lat. Annus, arab. Sana), Jul ist das Wort für Sonne oder für den Sonnengott, im griechischen Helios, deutsch Holle, lateinisch Sol.
Daher auch der Name Halljahr, auch Jubeljahr, wohl verballhornt von Jul-Jahr, das alle fünfzig Jahre gefeiert wurde. Heutzutage kennen wir es als das alttestamentliche Jahr des Schuldenerlasses; in der katholischen Kirche werden in diesem Jahr alle Sünden erlassen. Die Herkunft dieses Begriffes muß aber älter sein (schon weil ein wirklicher Schuldenerlaß alle 50 Jahre wirtschaftlich gar nicht vorstellbar ist). Wahrscheinlich handelte es sich um ein Hell-Jahr oder Helios-Jahr, an dem der Sonnenstand gemessen und das genaue Datum des Julfestes überprüft wurde. Bei einem Jahr von 365¼ Tagen mußte man natürlich nur alle hundert Jahre, (genauer: alle 128 Jahre) einen Tag korrigieren (nämlich einen Schalttag ausfallen lassen) aber man hätte schwerlich eine Beobachtungsregel von Generation zu Generation weitergeben können, wenn man sie nur alle hundert Jahre einmal ausübte.
Wahrscheinlich gehört dazu auch der Brauch der Johannisfeuer, die noch heute von Schweden über Deutschland bis Spanien entzündet werden: Durch das weithin sichtbare Feuer konnte damals von Dorf zu Dorf über einen ganzen Kontinent hinweg das genaue Datum der Sonnenwende bekannt gegeben werden, wobei sich der Kalender “für alle Welt” synchronisierte. Das isländische Althing fand am 24.6. (Johanni) statt, zu seinen Aufgaben gehörte die jährliche Aussage über den Kalender und den nächsten Schalttag.
3. Drei Jahresanfänge
Der Jahresanfang, 1. Januar, markierte also ursprünglich die Wintersonnenwende. Unsere frühere Annahme (1977, S. 104), daß damit der Punkt des Perihel (Sonnennähe) bezeichnet worden wäre, hat sich als falsch erwiesen, da das Perihel sich verschiebt.
Den ursprünglichen Frühlingsbeginn am 1. April (entsprechend zum Sonnwendtag am 1. Januar) kann man heute noch ablesen am Beginn des Steuerjahres in Deutschland, an der Lehrlingseinstellung und den beliebten Aprilscherzen (in Frankreich: poisson d’avril).
In unseren Kalendern gibt es zwei Daten für Wintersonnenwende: 25. Dezember (als Julfest) und heutiges astronomisches Datum: 22. Dezember. Was hat diese Staffelung verursacht? Verschiebt sich das Solstitium?
Seit der Einführung des sehr genau gehenden gregorianischen Kalenders verschiebt sich das Solstitium nicht mehr, es bleibt jetzt am 22. Dezember (außer durch das Schaltjahr, wodurch es auf den 21.12. fällt). Im julianischen Kalender ist das Jahr um 11 Minuten länger als das tatsächliche Sonnenjahr (tropisches Jahr), dadurch verschiebt sich das Solstitium rückwärts. Der Unterschied beträgt in 400 Jahren drei Tage, genauer: in 128 Jahren einen ganzen Tag.
Warum heißt der julianische Kalender so? Der Name muß uralt sein (Julkalender) und einfach “Sonnenkalender” bedeuten. Später setzte dann Cäsar (traditionell “45 v. Chr.”, vermutlich im 13. Jh.) diesen Julkalender für die römische Verwaltung ein, was als seine große Kulturtat angesehen wurde, verbunden mit seinem Zunamen Julius. Er veränderte ihn allerdings sehr ungünstig (folgt unten).
Es wurde sogar ein Papst “Sankt Julius I” erfunden, der “ab 337” regierte und “die orthodoxe Kirche dazu brachte, das Weihnachtsfest vom 6. Januar auf den 25.12. zu verlegen”. Der konstruierte Zusammenhang zwischen dem Namen Julius und dem Sonnwendfest ist hier offensichtlich. Die Heilige Julia wird zwar nicht in diesen Kalenderzusammenhang gebracht, ist aber als einzige katholische Heilige, die als gekreuzigt dargestellt wird, ein Gegenstück zu Jesus, dessen Geburt ja auf das Julfest gelegt wurde. Es sind fast ein Dutzend Tage den verschiedensten “Sankt Juliussen” geweiht, unter anderem der 1. Juli.
Auch Julius Cäsar wird direkt am Ostertag betrauert worden sein, die Ermordung des Weltherrschers an den Iden des März (15.3.) wurde wohl in der mit dem Mondkalender verquickten Tageszählung als Frühlingsbeginn (Äquinoktie) zusammengelegt. Wie der eigentliche Frühlingsbeginn vom 25.3. (seit Basel 1439 Jesu Empfängnis bzw. Mariä Verkündigung) auf den 15.3. verrutschte, wird unten erklärt.
Im julianischen Kalender wäre (wegen der oben beschriebenen Verschiebung) das Solstitium im 15. Jh auf den 23.12., im 14. Jh auf den 24. und im 13. Jh. auf den 25.12. gefallen, d.h. das Weihnachtsfest am 25.12. stimmte mit der Wintersonnenwende überein (bei den Römern Sol invictus genannt, die unbesiegbare Sonne). Das würde bedeuten, daß im 13. Jh dieses Datum letztmals weithin bekanntgegeben wurde und sich mindestens in Nordeuropa durchsetzte, danach aber nicht wieder verändert wurde. Der Unterschied von diesem fixierten Sonnwendfest zum 1. Januar beträgt sieben Tage.
4. Der Präzessionssprung
In unserem (neuen) Geschichtsmodell gibt es in geschichtlicher Zeit mehrere kosmische Katastrophen, durch die – u.a. – eine Verschiebung der Sonnwenddaten erfolgen konnte. Andere Maße der Erdbewegung änderten sich dabei nicht erheblich, die Schrägneigung von etwa 23° zur Bahnebene blieb erhalten, die Umlaufgeschwindigkeit ebenfalls.
Die Erde dreht sich – immer von oberhalb des Nordpols aus betrachtet – um sich selbst linksherum und auf der Bahn um die Sonne ebenfalls linksherum, aber die Präzessionsbewegung läuft rückwärts, rechtsherum (daher der Name Präzession: Rückwärtslauf). Bei einem kosmisch ausgelösten Ruck springt die Achse in der gleichen Richtung (rückwärts) um einen bestimmten Betrag, so daß die Sonnenwende um eine entsprechende Anzahl Tage eher stattfindet (siehe Modellbild unten).
Dieses Ereignis, das in der Erdgeschichte mehrmals vorgekommen sein dürfte, entspricht der von den Anhängern der Lyellschen Theorie als regelmäßig fortschreitende Konstante gedachten Präzession. Im Gegensatz dazu vollzieht sich in unserer Katastrophenvorstellung diese Bewegung manchmal auch ruckartig und ist darum zur Datierung früherer Zeitalter nicht geeignet, wenn der Sprung nicht an kulturellen Zeugnissen abgelesen werden kann.
Den Sprung wird man seinerzeit bald festgestellt haben, einerseits an den verschobenen Solstitien, andererseits bei genauer Sternbeobachtung am verschobenen Tierkreiszeichen, und schließlich wird beim Ereignis selbst der Tag (oder die Nacht) um einen merklichen Betrag länger gewesen sein, erhalten in berberisch-sufischer Überlieferung wie auch im Rolandslied und in einem Zitat, das in den Josuabericht im Alten Testament eingefügt ist.
Die Schwankungen der Erdbewegung, die vermutlich nach den kosmischen Katastrophen eine Zeitlang auftraten, gaben Anlaß zu Beunruhigung und zwangen die Verantwortlichen, den Himmel genau zu beobachten, weshalb ein ausgefeiltes astronomisches Wissen entwickelt und ein genauer Kalender aufgestellt wurden, wenn man aus wirtschaftlichen Gründen auf den jahreszeitlichen Zusammenhang nicht verzichten konnte (zum Mondkalender siehe unten). Wenn wir dem julianischen Kalender rund 700 Jahre mindestens zugestehen, dann dürfte damit auch klargestellt sein, daß sich trotz aller Schwankungen (die zu Cusanus Zeit noch beachtlich gewesen sein müssen) doch auf lange Sicht die etwa gleiche Jahreslänge wie heute stabilisierte. Mit dieser Feststellung, die einer allgemein angenommenen Voraussetzung gleichläuft, können wir bis zur vermuteten Einführung des julianischen Kalenders zurückrechnen. Die Länge des julianischen Jahres stimmt mit der von Dschellali für Malik Schah (“466 Hedschra” = “1074 AD”, vielleicht vor 6-700 Jahren belegbar) errechneten Jahreslänge praktisch überein, womit eine längerwährende Stabilität akzeptabel erscheint. (Topper, EG S.71, Quelle Enz. Isl.)
Eine durchgehende Jahreszählung im Bereich des Julianischen Kalenders scheint (vor 1500) nicht stattgefunden zu haben, fast alle nachprüfbaren Datierungsweisen zeigten sich als nachträglich errechnete Zahlenwerte (hierzu auch Ideler, mit dem man bis etwa 1450 zurückgehen kann). Daran ändern auch nichts die Berichte von den Säkularfeiern der Römer (die alle 110 Jahre abgehalten wurden, siehe Altheim, Bd. 3, S. 131) oder gar von der Jahrtausendfeier der Ewigen Stadt (“248 AD”) unter Kaiser Philippus Arabs (ebendort S. 134), denn sie haben allesamt nur literarischen Charakter; ihre zeitliche Einordnung bleibt ungewiß.
Dagegen möchten wir die Jahrtausendwende des Joachim von Fiore (“ERA 1000” = “1260 AD”, Topper, EG, S.144) als relativ datierbare Bezeugung eines kosmischen Ereignisses ansehen und mit dem vorletzten katastrophischen Umsturz, einer Präzessionsverschiebung der Erde, gleichsetzen, wobei ein Abstand von 750 Jahren vor heute möglich sein kann (siehe Zeichnung: Kalendersprünge der letzten 750 Jahre).
Mit dem Jahrtausendwahn ging allezeit auch eine Siebener-Zählung einher, wie im orientalischen Schöpfungsbericht vorgegeben und in mystischen Schriften des Hochmittelalters weitergeführt (Topper, GA, S.138): die Schöpfungswoche als Maßstab für den Bestand der Welt. Sieben Tage gleich sieben Jahrtausende soll die Welt erhalten bleiben, glaubten die Monotheisten. Die Verbindung der Woche mit der Katastrophe ist uns Hinweis darauf, daß die Einführung dieses Zeitabschnittes als Maß mit einem kosmischen Ereignis zusammenhängt. Die Scholastiker haben ihren Anteil an diesen Spekulationen (Topper, ZeitFälschung, S.126), und die strenge Sabbatruhe der jüdischen Religion besonders. Saturn gilt als der Schuldige, ihm zuliebe darf man keine gefahrbringende Handlung ausführen, wie etwa Licht anzünden, denn er könnte sich grausamst rächen. Der lateinische Gott Saturn wird übrigens mit dem griechischen Kronos (auch Chronos) gleichgesetzt und direkt als Sinnbild der Zeit verstanden. Der Samstag (engl. Saturday) ist der letzte der sieben Tage, erst am Sonntag werden öffentliche kultische Feiern möglich; um Saturn nicht zu nennen, hat der Samstag im Deutschen auch den schamhaften Namen Sonnabend. Die Woche beginnt nicht etwa mit dem Montag, sondern mit dem Sonntag, wie man noch heute im Portugiesischen oder Arabischen ablesen kann, wo der Montag einfach “Zweiter” heißt, der Dienstag “Dritter” usw. Auch der deutsche Mittwoch steht nur dann mitten in der Woche, wenn diese mit dem Sonntag beginnt.
Da das Ereignis kosmischer Natur war, lag es nahe, den ersten Tag der Woche dem Himmelskörper zu weihen, an dem sich der Sprung verdeutlicht hatte: der Sonne. Der nächste Tag erinnerte dann – vielleicht vorsichtshalber – an den zweithellsten Körper, den Mond, und die restlichen Tage wurden bestimmten Gottheiten geweiht, die mit Planeten gleichgesetzt wurden, wie man es in den romanischen Sprachen findet (Mars gehört zum Dienstag (französisch Mardi), Merkur zum Mittwoch (Mercredi), Jupiter zum Donnerstag (Jeudi), Venus zum Freitag (Vendredi) und Saturn zum “Sams”-tag.
Der Name “Woche” gehört wohl zum Wort Wache, bezeichnet also einen bestimmten Zeitabschnitt wie Vigilia im Lateinischen. In romanischen Sprachen nimmt das Wort (semaine, settimana, semana) einfach nur Bezug auf die Zahl sieben, ebenso im Arabischen. Im frühen Latein gibt es kein Wort für Woche, man benutzt heute das griechische Konstrukt Hebdomas.
In Island rechnete man (wir folgen wieder Reuter) zu einer gewissen heidnischen Zeit (“ab 870”) das Jahr mit 52 Wochen (364 Tage). Deswegen mußte man zusätzlich alle sieben Jahre eine Woche insgesamt einschalten. Diese Schaltregel, die auf Beobachtung beruhte, wurde durch Thorstein Surt in Westisland “um 955” eingeführt, und zwar empfahl er außerdem die genaue Beobachtung des Sonnenlaufs, weil später auch mal in kürzerem Zeitraum zu schalten wäre. (Er wußte demnach die genaue Jahreslänge).
Dabei hatte ein Jahr 13 Monate, ein Monat vier Wochen und ein Halbjahr 26 Wochen. Jeder Monat und jedes Halbjahr begann also mit dem gleichen Wochentag. Das müßte u. E. stets Sonntag gewesen sein. Reuter nimmt den Donnerstag an, denn Thor war der Hochgott der Isländer, wie in der Edda (Grimnismal u.a.) unmißverständlich ausgedrückt wird. (Die Berber halten am Donnerstag noch heute fest.) Dieses Wochenjahr scheint über ganz Nordeuropa verbreitet gewesen zu sein, wie viele Sprüche und Rätsel bezeugen: der Baum mit den 13 Ästen, der in jedem Ast vier Nester hat und in jedem Nest sieben Junge. Noch Dürer nennt 1508 die 13 Monate des Jahres in einem Brief an Jakob Heller (Reuter S. 27).
Da zahlreiche Kalender benützt wurden – in islamischen Ländern sind noch heute vier Kalender anerkannt (der Mondkalender, der gregorianische, der julianische Bauernkalender und der jüdische) – war es für Handel und Kult sehr praktisch, die Woche als universelles Zeitmaß zu benützen, das allen gemeinsam ist.
Eine Zeiteinteilung in sieben Tage ist allerdings so merkwürdig, daß man sie mit herkömmlichen Ideen nicht erklären kann. Am ehesten ist anzunehmen, daß ein einmaliges kosmisches Ereignis – eine Verschiebung der Sonnenwende um 7 Tage – bestimmte Völker (übrigens auch die Tibeter) dazu brachte, aus heiliger Scheu heraus diesem Zeitmaß eine Bedeutsamkeit zuzusprechen.
Wenn die Woche das Ergebnis eines kosmischen Sprungs ist, der den Kalender gegenüber den an den Solstitien geeichten Daten um sieben Tage verschob, bedeutet das einen um sieben Grad verschobenen Sternhintergrund bzw. einen um eine Woche eher eintretenden Sonnwendtag. Die Wintersonnenwende lag dann nicht mehr am 1.1. sondern am 25.12.
Da wir vorhin rückberechnet hatten, daß im 13. Jh. wohl letztmals für alle gemeinsam das Winterfest am 25.12. abgehalten wurde, halten wir diesen Wocheneinschnitt um “1260” auch aus diesem Grunde für wahrscheinlich.
5. Gregors Kalenderreform
Dieser Abschnitt ist größtenteils durch die neueren Forschungen der Autoren und die Auswertung der Originalquellen zur Kalenderreform (Aloysius Lilius) überholt und entspricht nicht mehr den Anschauungen von Uwe und Ilya Topper. Siehe den neuen Aufsatz von Ilya Topper: Kalender und Präzessionssprung
Erste Entwürfe zu einer Kalenderreform sollen (laut Ideler) schon auf dem Konzil zu Kostnitz (Konstanz) gemacht worden sein, auf dem Basler Konzil sind sie schon konkreter geworden: Kardinal Nikolaus Cusanus schlug vor, daß einige Tage (eine Woche oder mehr) ausgelassen werden sollten, um die frühere Situation wieder zu bekommen.
Obwohl sich dieser Vorschlag nicht durchsetzte und keine Korrektur vorgenommen wurde, legte man im 15. Jh doch fest, an welchen Tagen die wichtigen astronomischen Daten der Sonnenwende und Nachtgleichen stattfanden: Der 13. Dezember – damals Wintersonnenwende – ist bis heute der heiligen Luzia geweiht, offensichtlich eine Lichtgöttin (Luz = Licht), und der gegenüberliegende Sommertag, der 13. Juni, ist durch einen sehr wichtigen Heiligen gekennzeichnet, den heiligen Antonius mit den beiden Raben (wie Wodan) (siehe hierzu das Schema unten).
Der Gregorstag am 12. März als Schulanfang mit seinen heidnisch-karnevalistischen Bräuchen bezeichnet die Frühlingsgleiche. Ob Papst Gregor, der die Kalenderreform endlich durchsetzte, seinen Papstnamen daher bekam, wäre Spekulation.
Der heilige Georg (das ist unbedingt derselbe wie Gregor) ist ein Drachentöter wie Michael und damit direkt katastrophistisch vereinnahmt. Und auch der Herbstanfang am 14.9. ist markiert: dieser Tag ist der Kreuzerhöhung geweiht. Das Kreuz als Jahressymbol…
Die vier Eck-Tage liegen neun Tage vor den heutigen Daten, müssen also etwa 100-150 Jahre vor Gregor XIII eingeführt worden sein, als der Unterschied zwischen dem julianischen Kalender und den astronomischen Daten noch einen Tag geringer war als zu Gregors Zeit. Diese Heiligen wurden später einfach vom julianischen Kalender ihrem Datum gemäß in den gregorianischen übernommen, ohne daß dabei die kosmische Situation berücksichtigt worden wäre.
Reuter berichtet (S. 20 ff) auch über eine ganz konkrete Beobachtung des Jahreslaufs auf Island: Oddi Helgason war ein Sternbeobachter, der auf einem Gehöft auf einer Insel in Nordisland (66°10′) im “Ausgang des 10. Jh.” lebte, was leider nur in einer kirchlichen (also lateinischen) Überlieferung, des “12 Jh.” vorliegt. (Die Verlegung ins “späte 10. Jh.” mußte sein, sonst wäre er kein Heide mehr gewesen, denn “im Jahr 1000 nahm Island das Christentum an”.)
Dieser Text ist in drei Teilen erhalten, von denen Reuter leider nur den zweiten und dritten bespricht. Der erste Teil “setzt die neue kirchliche Zeitrechnung von 365¼ Tagen in Beziehung zum isländisch-norwegischen Jahre und erläutert, wie sich die wirklichen, dem Norden geläufigen und auch von Oddi richtig beobachteten wahren Jahrpunkte (Wenden und Gleichen) in dem neuen, julianischen Schaltkreis von vier Jahren verschieben. Die Erörterung ist scharfsinnig und richtig gedacht. Die Frage ist ohne fremdes Vorbild gestellt, weil sie nur im Zusammenprall dieser beiden Zeitrechnungen entstehen konnte und Sinn hatte.”
Reuter hat es erfaßt: Die Frage ist nachträglich künstlich erörtert. Oddi beobachtete die Jahrespunkte, die Kirche bestimmte sie mathematisch. Mehr sagt er leider nicht zu diesem Punkt, wichtig wäre, die Quelle zu finden.
Zu erklären wäre noch, warum der angebliche “Julius” Cäsar den vorhandenen Kalender neu einrichtete, indem er die ideal gleichlangen 12 Monate von 30 Tagen ungleich machte. Cäsars Benennung der Monate der zweiten Jahreshälfte (September=siebter, Oktober=achter, November=neunter und Dezember=zehnter Monat) ist ja in praktisch allen europäischen Sprachen und auch im Berberischen erhalten geblieben. Den Neujahrstag verlegte er auf den 1. März, den Beginn des Ackerbaujahres, an dem noch heute berberische Feste gefeiert werden. Bei dieser Regelung wurde der Schalttag an den Schluß des zu kurzen Februar angehängt, was ebenfalls bis heute blieb.
Das Hauptanliegen scheint die Verteilung der fünf Saturnalientage gewesen zu sein, die wegen ihrer unmoralischen Festlichkeiten unterdrückt werden sollten. Die ungleichen Monatslängen erhielten sich ebenfalls. Sie entstanden aus der Verteilung der Saturnalientage auf einzelne Monate in abwechselndem Rhythmus, der nach Augustus noch einmal geändert wurde.
Kalendas heißt jeweils der erste Tag des julianischen Monats, und dieses ist das einzige lateinische Wort, das mit K geschrieben wird, also ganz sicher ein Fremdwort. Es bedeutet eigentlich “Herumwandern, sich im Kreise drehen”, weshalb die tanzenden Derwische Kalender genannt werden. Auch Idus (=Monatsmitte) dürfte nicht lateinischen Ursprungs sein, aber ob es mit deutsch (w)ieder zusammenhängt oder mit arabisch ‘Id (Fest, die Wurzel dieses Wortes ist ‘ada, wiederkehren), ist unsicher. Der Jahresanfang variierte in Italien beträchtlich, wurde aber nach Gregor wieder auf den 1.1. (Janustag) zurückverlegt.
6. Der Mondkalender
Nach einer Katastrophe war der Sonnenkalender dermaßen aus dem Lot gekommen, daß er seine Funktion nicht mehr erfüllte. Bestimmte Völker in südlichen Breiten, in denen der Sonnenstand ohnehin nicht die gleiche Wichtigkeit hatte wie im Norden, einigten sich darauf, provisorisch den Mondumlauf zur Grundlage des Kalenders zu machen. Das Datum war nun ganz leicht zu beobachten, hatte aber den Nachteil, daß es gegenüber den Jahreszeiten jährlich um elf-einhalb Tage wanderte. Das mußte man durch einen Schaltmonat ausgleichen, der alle zwei oder drei Jahre eingefügt wurde, so wie es noch heute beim jüdischen Kalender der Fall ist.
Auch der arabische Mondkalender war früher so angelegt, und dem Schaltmonat kam eine bestimmte religiöse Bedeutung zu. Der Überlieferung gemäß wollte der Prophet Mohammed diese Riten ausschalten und ließ daher den ganzen Monat fallen, worauf auch ein Koranvers hinweist: “Zwölf Monate hat Gott angeordnet, und vier davon sind heilig”, was bewußt den Schaltmonat ausschließt. Dadurch fing das Kalenderjahr natürlich an, sich zu verschieben, und so kommt es, daß heute der Fastenmonat Ramadan durch alle Jahreszeiten wandert, während er früher dem September entsprach, wobei das Fasten tagsüber wegen der großen Hitze und des Wassermangels ganz einfach eine Sparmaßnahme war, eine Art Sommerschlaf. Wie einige Monatsnamen anzeigen, entsprach in diesem vorislamischen Modell der erste Monat, Muharram (“der geheiligte”), dem Januar, die beiden Monate Rabi’ I und Rabi’ II (“Frühling I” und “Frühling II”) dem März und April, und der letzte, Dhul Hijja (“der der Pilgerfahrt”) dem Dezember, woraus man ablesen kann, daß die Julversammlung wohl früher auch in südlichen Breiten abgehalten wurde.
Wichtig ist der Mondkalender in unserem Zusammenhang nur für einen Punkt: die Festlegung des kirchlichen Osterfestes, das nach der Kirchenbildung nicht mehr am Tag der Frühlingsgleiche gefeiert werden sollte, sondern entsprechend dem jüdischen Passah nach dem Vollmond danach (und zwar am darauffolgenden Sonntag). Diese Regelung bildet den anderen wichtigen Bestandtel der gregorianischen Reform.
Die Epaktenrechnung der Kirche, die den Osterzyklus bestimmt und damit eine Abhängigkeit des Mondjahres vom Sonnenjahr schafft, verlief im Norden nach einer einfacheren Regel, nämlich im Achtjahreszyklus: Nach 99 Mondumläufen, in deren Zeitraum drei Jahre je 13 Vollmonde und die übrigen fünf Jahre nur zwölf Monde hatten, fiel der Vollmond wieder auf den Jahresanfang. Die Ungenauigkeit von anderthalb Tagen wurde durch Beobachtung ausgegrenzt, die Schaltung beim Thing alljährlich verkündet. Auf diesen Rhythmus gingen auch die griechischen Kultspiele zurück, die später statt nach acht Jahren schon nach der halben Zeit, nach 50 Mondumläufen, abgehalten wurden (Olympiaden). Den Griechen ging es nämlich nicht um den Vollmond, sie hatten diese Regel nur übernommen.
Im Norden gab es keinen Mondkult, sondern es war reine Notwendigkeit (schreibt Reuter S.34), den Vollmond vorherbestimmen zu können, weil man in den dunklen Monaten für die Opfer zum Julfest und zum Disenfest (im Januar) das Vollmondlicht brauchte, wie überhaupt die Aufstellung eines genaugehenden Kalenders im Norden rein praktische Gründe hatte, und zwar weniger für den Ackerbau als vielmehr für den Fischfang: die Schwärme halten genaue Durchzugszeiten ein, und wenn man die versäumt, verhungert man. Wegen der bei bedecktem Himmel oft nicht sichtbaren Gestirne benützte man einen an Ebbe und Flut orientierten und ans Sonnenjahr gebundenen Mondkalender an der Küste.
Kalender: Zeittafel
Gestrichen, da überholt durch neuere Forschung.
Literatur
Altheim, Franz (1943): Die Krise der Alten Welt (3 Bde., Berlin)
Ideler, Ludwig (1826): Handbuch zur mathematischen und technischen Chronologie (2. Bde., Berlin)
Marx, Christoph (1993): Datieren vor der Gregorianischen Kalenderreform in: Vorzeit-Frühzeit-Gegenwart 3/93, S.38ff (Gräfelfing)
Reuter, Otto Sigfrid (1936): Germanische Himmelskunde (J. F. Lehmanns, München)
Topper, Ilya Ullrich (1998): Apuntes sobre la era árabe en el contexto mediterráneo in: “Al-Andalus – Maghreb” III, Homenaje a Braulio Justel Calabozo (Univ. Cádiz)
Topper, Uwe (1977): Das Erbe der Giganten (Olten)
(1995): Eine Polsprungmythe in berberisch-sufischer Überlieferung in: Zeitensprünge 1/95 (Gräfelfing)
GA: (1998): Die Große Aktion (Tübingen)
EG: (1999): Erfundene Geschichte (München)
FG: (2001): Fälschungen der Geschichte (München)
ZF: (2003): ZeitFälschung. Es begann mit der Renaissance (München)
Wirth, Herman (1927): Der Aufgang der Menschheit (Jena)
(1931-1936): Die Heilige Urschrift der Menschheit (Jena)
Zarnack, Wolfram (1997) Hel, Jus und Apoll / Sonnen-Jahr und Feuer-Welle: Wurzeln des Christentums. Eine sprach- und symbolgeschichtliche Skizze (Selbstverlag, Göttingen)
(2000): Die Geburt der Zeit in Europa (Vortrag im Okt. 2000 in Waren) in: Ur-Europa-Jahrbuch 2001, S.3-30 (Westensee)
Dank für die treue Mithilfe gebührt Alexander Topper
Alle Zeichnungen von Ilya U. Topper, Madrid
Text von Uwe Topper, Berlin 2004
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