James Mellaarts Fälschungen – ein Nachtrag

Unter der Überschrift  James Mellaart gibt aus dem Jenseits seine Betrügereien zu (Neueste 2018) hatte ich geglaubt, eine abschließende Bewertung dieses besonders krassen Falls von archäologischem Betrug geliefert zu haben, jetzt erst merke ich, daß die öffentliche Meinung den Urheber gar nicht so einhellig verdammt, wie es nötig wäre.
Mein Fazit lautete: “Das von ihm aufgestellte Geschichtsbild für Anatolien ist nicht mehr auszulöschen.”
Einer unserer Leser, Abraham Göbel, wies mich auf folgenden Artikel hin: James Mellaart: The Man Who Changed History, von dem aus ich dann weitere Texte im Netz fand. Göbel merkt an, daß die Funde auch ideologisch interpretiert wurden: “Mellaart selbst erkannte und deutete die Bilder, die auch ihm so fremdartig erschienen, in besonderer Weise und gab damit der Matriarchatsforschung das gesuchte Material in die Hände”, schreibt die Autorin Gabriele Uhlmann in einem Aufsatz.

Ich übersetze ein paar Zeilen aus dem Interview von Christian Tyler an Mellaarts 80. Geburtstag, 2005, das im Netz in Cornucopia 35 – 2012 als Nachruf gefunden werden kann.

James Mellaart: Der Mann, der die Geschichte änderte

Moderne Helden
Traurigerweise haben wir gerade vom Tod eines der größten Archäologen des 20. Jh.s Kenntnis bekommen. James Mellaaarts Entdeckungen in Catalhöyük in den 50-er und frühen 60-er Jahren haben unser Verständnis der Vergangenheit grundsätzlich umgestülpt.
In unseren Augen verdient niemand besser den Zunamen “ein moderner Held”.

(…) Seine Nase führte ihn zu einer Entdeckung, die unsere Art, die Anfänge der menschlichen Zivilisation zu begreifen, veränderte. Diese Entdeckung in Zentral-Anatolien machte ihn berühmt und beneidet. Alle, die mit Mellaart zusammenarbeiteten, beschreiben ihn mit demselben Wort: brilliant. Einige nennen ihn sogar ein Genie.

Bei einer seiner ersten Ausgrabungen, so zitiert der Reporter weiter, in Jericho, führte er die Grabung erfolgreich fort, während seine Chefin gerade über das Wochenende in Jerusalem weilte. Und er “hatte es gefunden”: “You’ve got it!” sagte ein Vorgesetzter.

Die Episode erinnert mich doch an jemanden? Ach ja, Schliemann, der seine Arbeiter wegschickte, als er den entscheidenden “Fund” machte, den Schatz des Priamos in Troja. Und tatsächlich:

“Mellaart wird manchmal mit dem berühmten Heinrich Schliemann verglichen, der Mykene und Troja ausgrub. Aber er widerspricht diesem Vergleich. “Schliemann war ein Dieb”, sagt er mit abweisendem Lachen. “Und er dachte, der Trojanische Krieg wäre ein historisches Ereignis gewesen.”

Die berühmten Wandbilder in Catalhöyük konnten in den letzten Jahren bei erneuten Ausgrabungen nicht mehr gefunden werden.

In Wikipedia fand ich statt einer Abbildung der Wandbilder diese Beschreibung:
“In Çatalhöyük wurde im Jahre 1963 die vielleicht älteste kartografische Darstellung gefunden.[23] Die Wandmalerei fand sich in Schrein 14 und zeigt die Siedlung um 6200 v. Chr. mit ihren Häusern und dem Doppelgipfel des Vulkans Hasan Dağı. Selbst die inneren Strukturen der Gebäude, die sich ohne jeden Zwischenraum aneinanderfügen, sind mit Haupt- und Nebenräumen angedeutet.[24] Allerdings ist die Deutung dieser Darstellung umstritten.”

(Die Abbildung stammt aus: Ülkekul 1999 : An 8,200 Year Old Map – The Town Plan Of Çatalhöyük. Istanbul, zitiert in Stephanie Meece, Anatolian Studies Vol 56 2006, pp1-16.) Der beigegebene Artikel dort erklärt das Bild allerdings als Abbild einer Leopardenhaut, weil ein dermaßen abstraktes Denken, das eine kartenbildliche Wiedergabe zuläßt, für jene Zeit eben doch etwas zu früh wäre.

Foto aus: Mellaart 1964: ‘Excavations at Çatal Hüyük, third preliminary report’ Anatolian Studies. 14: 39-120. Tafel Vb, ebenfalls zitiert in Stephanie Meece (wie oben).

Nicht nur die englischen Kollegen schätzen Jimmie, wie er allgemein genannt wurde, so hoch, auch eine deutsche Archäologin ist dabei, Gabriele Uhlmann:
“Die ältesten Schichten des Hügels sind unglaubliche 9250 Jahre alt! Die Bauweise der Häuser hat sich über einen Zeitraum von ca. 1000 Jahren nicht verändert, d.h. hier war von Anfang an eine Stadtkultur. Wohl als der Hügel zu hoch wurde sind die BewohnerInnen umgezogen, zu einem Platz gleich daneben, wo sie wieder 700 Jahre friedlich lebten, bis…tja, niemand weiß, was dann geschah.” Catal Höyük: Openbook (29.3.2018)

Ganz schöne Zeiträume sind das! Friedenszeiten, soviel steht fest.

Und nun kurze Ausschnitte aus einem weiteren Artikel von G. Uhlmann auf der Webseite Wahrscheinkontrolle vom 16. März 2018:
Catalhöyük war seit 1965 stillgelegt, nun wird es “seit 1993 vom dem britischen Archäologen Ian Hodder und dessen Team untersucht” schreibt Gabriele Uhlmann.

Sie urteilt ausgewogen und beschreibt die verwirrenden Vorkommnisse, da fällt auch der Ausdruck “allerlei soziologisches Geschwurbel” für die Expertisen der beteiligten Archäologen. Sie hat bestimmt recht.

Zur Mappe mit dem luwischen Hieroglyphentext:
“Die Kopie des Textes aus dem Jahre 1878, der Zeit kurz vor der Zerstörung des Originals, wurde Mellaarts Angaben zufolge irgendwann sein Eigentum.” … “Die Mappe soll nach Angaben des SPIEGEL vorerst im Tresor Zanggers verschwunden sein, nach scinexx aber hätte eine Veröffentlichung stattgefunden.”
Dezember 2017: “Bis zu diesem Zeitpunkt hatte kein Experte die Original-Abschriften aus Mellaarts Nachlass gesehen.”
Im Oktober 2017 sagt Zanggers Kollege und Mitautor Fred Woudhuizen:
“Wir hatten damals noch nicht gewusst, dass die Inschrift seit geraumer Zeit bekannt ist. Einige Kollegen kennen sie seit 28 Jahren und besitzen sogar Kopien davon.”

“Mellaarts Entdeckungen und ihre Deutung sind bis heute wegweisend. Er hat es zu keinem Zeitpunkt nötig gehabt, irgendwelche Bilder oder Texte zu fälschen.” sagt Uhlmann.
Ihr abschließender Befund: “… der Fachwelt allein kann man diesen Fall kaum noch überlassen!”

Uwe Topper 30.3.2018

Hier kann fortgesetzt werden, denn das Netz ist voll von Diskussionen zu diesem Thema.
Toppers ursprünglicher Artikel über Mellaart steht hier: James Stuart Mellaart und die Vorgeschichte Anatoliens.

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