Neuigkeiten im Jahr 2020
Die Aktualitäten der vorigen Jahre sind hier abrufbar:
Dr. Dr. Paul C. Martin, früher Mitstreiter der Chronologiekritik, starb am 3. 4. 2020 im Alter von 80 Jahren
neuer Beitrag: Wolfram Zarnack – eine Würdigung
Gunnar Heinsohn antwortet auf Trevor Palmers Gegenbeweise
Hermann Detering ist gestorben
Institutum Canarium : Kammer in Pyramide entdeckt
Schlechte Nachricht bezüglich der Felsengleise
Aufruf zur Rettung von zwei Cairns in Maulbronn
1. Exkurs zur Datierung von Dantes Lebenszeit
2. Exkurs zu Dante laut einem Kommentar von 1546
passend zum 8. März: Priester oder Priesterinnen? Weder – noch!
Edwin Johnsons späte Werke sind endlich ins Deutsche übersetzt!
und noch ein Buch zum Thema Fälschung und Tacitus: Leo Wiener, Pionier auf halbem Wege
X X X X X X
Und nun das Neueste vom Anfang dieses Jahres:
Gunnar Heinsohn: Palmer-defense of 1st millennium chronology-Heinsohn-12-12-2019.pdf
Jahrelang in mehreren Folgen in SIS-Review (und nun abgeschlossen) hat Trevor Palmer seine Beweise veröffentlicht, daß das 1. Jahrtausend christlicher Zeitrechnung keine Kürzung zuläßt. Damit hat er sich ausdrücklich gegen Heinsohns Kürzung von 700 Jahren in jenem Jahrtausend gewandt.
Ironisch geradezu, wenn nicht bissig bringt Heinsohn es auf den Punkt: Die ewige Wiederholung des Schulwissens bringt die Unstimmigkeiten nicht zum Schweigen, vertuscht sie nur. Denn in der orthodoxen Lehre sind die Anachronismen dermaßen groß und auffällig, daß es Wunder nimmt, daß nicht eher so radikal darüber diskutiert wurde, wie Heinsohn das jetzt tut.
Wenn die deutschen Schulbücher das Chronologie-Problem zwischen Antike und Hochmittelalter schon früher so deutlich dargestellt hätten, wäre dieser gewagte Vorstoß nicht nötig, sagt Heinsohn sinngemäß. Und damit fügt er drei weitere Punkte des Erstaunens hinzu.
Einen will ich herausgreifen, er betrifft Sopot bei Danzig und gleicht dem Befund in London:
“Da ist auch noch das Mittelalter. Dieser Zeitraum sieht seltsam aus, denn die Leute im 9. Jh. benützten offensichtlich römische (klassische) Münzen des 2. Jh.s. Es gibt fein erarbeitete Theorien, die den Gebrauch jener Währung, die seit 700 Jahren überfällig geworden war, rechtfertigen sollen.” (S. 8: “Still, one has the Early Middle Ages. But this period looks strange because people living in the 9th century apparently used Roman coins from the 2nd century. There are elaborate theories to justify the use of a currency that has been obsolete for 700 years (cf. Heinsohn 2018b, S. 8; übers. v. U:T.)
Merkwürdig, daß die Händler klassische römische Münzen verwendet haben sollen, noch im Mittelalter. Wie war das mit den Siebenschläfern? (siehe Topper 1994) Als sie einen von ihnen mit einer Münze zum Markt schickten, Brot zu holen, fiel er schon durch seine Münze auf, die einige hundert Jahre veraltet war. Man achtete damals darauf, von welchem Kaiser eine Münze stammt, bevor man sie als Zahlungsmittel im Markt akzeptierte. Das sollte bei größeren Mengen (außer isolierten Hortfunden) auch den Archäologen auffallen.
Mit den übersichtlichen Schautafeln, die man von Heinsohn nun gewöhnt ist und die ich persönlich als sehr einprägsam empfinde, wird jedem Leser, egal welche Vorbildung er hat, klargemacht, daß die akademische Geschichtsschreibung – und damit das von Palmer gesammelte Material – voller Widersprüche steckt und auf keinen Fall in dieser Weise fortgesetzt werden kann.
Aber ist das neu für uns? oder für die aufmerksamen Kollegen wie Palmer?
Heinsohn sagt S. 7: “und wie ich selbst bis 2013 teilweise an die Gültigkeit der hergebrachten Chronologie dieses Jahrtausends (glaubte)”.
Heinsohn deutet mit dem Wörtchen “teilweise” an, daß er mit Illig gemeinsam schon mehr als 20 Jahre das 1. Millennium um 300 Jahre gekürzt hatte, was ihm nun zugute kommt, weil er die einmal eingeschlagene Richtung – das Aufdecken von Verdoppelungen (sogar Verdreifachungen) der Personen und Ereignisse sowie kunstreicher Auffüllung erfundener Jahrhunderte mit Phantomgestalten – souverain fortsetzen kann.
Außerdem: Es waren ja nicht Heinsohn und Illig allein, die mutig diesen Gang freischaufelten. Der bescheidene Rezensent gehörte seit 1993 dazu, wenn auch z.T. mit anderer Antwort auf das Problem.
Irgendwo ist Heinsohn leider stehengeblieben, den Grund (den Auslöser) für die unbeantwortbaren Fragen, hat er nicht abgeklärt. Vielleicht ist die Dunkle Erd-Schicht (dark earth layer) in London als Katastrophenhorizont schon die Antwort, ausgearbeitet hat er den Gedanken nicht weiter, soweit ich weiß.
Ps.: Heinsohn schreibt dazu: “In
q-mag.org/gunnar-heinsohn-polish-origins (auf Seite 53) habe ich meine bisher einzige Spekulation zum WARUM der Fehldatierungen öffentlich gemacht.”
Und beim Jahr 1000 AD endet die Geschichte ja nicht und geht auch nicht nahtlos in “gesicherte” Chronologie über, sondern bleibt für weitere vier bis fünf Jahrhunderte so unverständlich wie die ersten tausend Jahre.
Literaturnachweise:
Heinsohn, Gunnar : Palmer-defense of 1st millennium chronology-Heinsohn-12-12-2019.pdf
(Rundbrief), Siehe www.q-mag.org unter Gunnar Heinsohn.
(2018b)„Polish Origins„, auf www.q-mag.org [Quantavolution Magazine]
Palmer, Trevor: The Writings of the Historians of the Roman and Early Medieval Periods and their Relevance to the Chronology of the First Millennium AD, in C&C Review 2015 ff.
Topper, Uwe: Die Siebenschläfer von Ephesos; in: Vorzeit-Frühzeit-Gegenwart 1/1994, S. 40-55, siehe hier
Für die Schautafel Heinsohns zum Jahrtausendschnitt siehe die englische Fassung hier.
Hermann Detering ist gestorben
Soeben erst erfahren: Der Theologe Hermann Detering, der tapfere Skeptiker und Verneiner der Historizität Jesu (in diesem Sinne Nachfolger von Bruno Bauer und Arthur Drews), Pfarrer in Berlin und Maler, ist am 18. Oktober 2018 seinem Krebsleiden erlegen. In den letzten Jahren lebte er zurückgezogen recht weit weg von Berlin in der Altmark, weshalb mein persönlicher Kontakt mit ihm abgerissen war.
Das Ehrengrab für Bruno Bauer in Berlin-Neukölln geht auf seine Initiative zurück.
Der Nachruf ist hier, ein Hinweis auf meine Besprechung seines wichtigen Buches: “Falsche Zeugen” (2011) in unserem Lesesaal.
Glückwünsche zum 50-jährigen Bestehen des Institutum Canarium (Wien)!
Und zugleich die traurige Mitteilung, daß das Institut (kurz: IC), mit dem ich 40 Jahre zusammen arbeitete, mit dem Jahr 2019 schließt (es fehlt an Unterstützung). Nur das Jahrbuch “Almogaren”, in dem ich im Laufe der Jahre 13 Artikel veröffentlichte, dessen neueste Ausgabe (50/2019) gerade vorliegt, wird weitergeführt von Hans-Joachim Ulbrich, wie bisher.
Dieses neue Almogaren 50 enthält wieder einige sehr interessante Artikel, die einen guten Überblick über die vergangene Arbeit bieten, so vor allem von Rudolf Franz Ertl: “50 Jahre im Dienst der Erforschung der Kanaren, der vergleichenden Felsbildforschung und der Mittelmeerkulturen” (S. 275-322). Ich möchte nur eine Beobachtung herausgreifen, die für die Arbeit an Walter Haugs keltischen Cairns (Pyramiden) von Bedeutung ist (S. 280 ff):
Noch 1991 wurde eine große achtstufige Pyramide von La Mancha trotz der Proteste einiger Bürger von Baggern niedergewalzt. Erst seit sich Thor Heyerdahl für die Pyramiden von Guimar eingesetzt hat, beginnt man, Rücksicht zu nehmen. Dennoch sind viele Fragen bisher ungeklärt, nämlich
wozu diese Bauten gedient haben könnten,
woher die teilweise erkennbar fremden Steine stammen,
was für Kulthandlungen oder Riten an oder auf den Bauten stattgefunden haben könnten,
ob sie astronomische Angaben enthalten oder ob es sich um Gräber handelt. Hier Foto und Zeichnung (beide von Prof. Ertl) der Pyramide von Playa de los Cancajos (La Palma). Der turmartige Aufsatz ist jüngeren Datums. Im Hintergrund das Meer. Ansicht von WSW (siehe Ertl 2009).
Und nun kommt die Überraschung:
“An einer vom Verfasser (Ertl) auf La Palma untersuchten Pyramide machte er eine bemerkenswerte Feststellung. In der untersten Pyramidenplattform stellte er bei Vermessungsarbeiten verschüttete, gemauerte Kammern fest, über deren Zweck solange nur spekuliert werden kann, solange uns keine Grabung neue Erkenntnisse verschafft.” (S. 281)
Wie mir der Autor Ertl gerade mitteilt, hat er diese Entdeckung bereits 2001 und 2003 gemacht und den Behörden mitgeteilt, die aber keine Grabung veranlaßten, nicht einmal erlaubten. Die Kammern seien allerdings nicht groß wie Kulträume sondern klein wie Körpergräber, etwa 1 x 2 m.
Literatur zu den Pyramidenbauten auf den Kanarischen Inseln führt er an:
Ertl, Rudolf Franz (2009): Neu entfacht: Pyramidendiskussion auf den Kanarischen Inseln (Almogaren XL, p. 134–143)
Hähnel, W. B. (1996): Die Pyramiden von Tenerife (AlmogarenXXVII, p. 359-374)
Peiffer, KH. (1999): Pyramidenforschung mit Schwerpunkt Kanaren (IC-Nachr. 82, p. 33-35)
Pichler, W. (1997): Der Streit um das Alter der kanarischen “Pyramiden” (Almogaren XXVIII, p. 89-96)
Nachtrag: Auch wenn die Kammern grabähnlich aussehen, muß das nicht heißen, daß es sich bei diesen Pyramidenbauten um Gräber handelt. Schon der Zusammenbau von mehreren Plattformen und Stufenbauten läßt an eine größere kultische Verwendung denken, etwa wie ich das bei unseren norddeutschen Hünenbetten sehe, deren innere Kammer einer Krypta gleichkommt (siehe Zitat des Buches von Hermann Wille), vergleichbar unseren romanischen und gotischen Domen. Der Kölner Dom ist zwar über dem Sarg erbaut, der die Gebeine der Heiligen Drei Könige enthält. Aber dadurch wird der Dom nicht zur Begräbnisstätte. Der Sarg mit den Reliquien gibt dem Dom die Weihe, doch der Kult wurde zur Ehre des Allmächtigen Herrgotts ausgeübt, bzw. des Heilands, den die drei Könige ebenfalls anbeteten. So können auch diese Stufenpyramiden Kammern mit Gebeinen der Ahnen enthalten, ohne Grabmäler zu sein.
Anmerkung: Zu den Kanaren mit ihren Felsbildern, ihrer eigenartigen Sprache vor der spanischen Eroberung, ihrem Völkermischmasch und kulturellen Resten siehe mein Buch “Das Erbe der Giganten” 1977, Kap. 16, besonders S. 318 ff. Damals waren die Pyramiden noch unbekannt. Meine Kopien von Felsbildern auf Gran Canaria und El Hierro sind in IPEK 23 (1970) von Herbert Kühn veröffentlicht, die Zeichnungen gingen in den Besitz des IC über.
Schlechte Nachricht bezüglich der Felsengleise
Nichts Neues über die bekannten Felsengleise? Wie seltsam! Es sollte viele Fragen und neue Theorien geben, mehr Entdeckungen und gründliche Untersuchungen.
Immerhin – Dinosaurier-Spuren sind dem Menschen seit der Steinzeit bekannt. Sie waren gut für Neugier und Aberglauben, Verehrung und Angst. Im christlichen Zeitalter galten sie als Marken des Gegners Gottes, des Satans oder des Teufels. Oder als Zeugnisse von Heiligen mit übermenschlicher Kraft. Jedenfalls waren und sind sie Forschungsgegenstand eines seit langem ausgelöschten Lebens.
Nicht so die Felsengleise.
Der Satz, den ich einmal zitiert habe: “Sie werden noch lange der Schrecken der Archäologen sein” (José Sabater 1877, siehe Topper 1977, S. 201), hat sich nicht erfüllt. Nachdem Wissenschaftler herausgefunden hatten, daß diese Karrenbahnen ein Rätsel oder eher ein Problem für den Verstand darstellen, wurden sie schnell vergessen (“nicht meine Aufgabe”).
Immer mehr Fahrspuren und Gleisestraßen (oder ‘cart ruts’, wie sie auf Malta genannt werden) sind ans Licht gekommen, und die Fragen wurden immer komplexer. Es gibt ein Interview mit dem Paläontologen Luiz Carlos da Silva Gomes in Brasilien, der erwähnt, daß sich Spuren von Dinosauriern an derselben Stelle wie die Karren-Spuren befinden (siehe unsere Nachricht 2019). Allein die Tatsache, dass wir in Amerika prähistorische Spuren von Radfahrzeugen haben, ist so erstaunlich, dass wir eine Sekunde innehalten sollten, um diese Nachricht aufzunehmen. Kürzlich entdeckt wurden Karrenstrecken auf den Azoren, wo man auch 140 Stufenpyramiden fand (siehe Dominique Görlitz und Nuno Ribeiro), und auf der Osterinsel (gleiche Notiz 2019).
Es gibt alte Karrenbahnen, die von den Römern weitergeführt wurden, wenn auch mit einer geringeren Breite (bis zu 110 cm). Dennoch kenne ich keinen römischen Autor, der sie erwähnt hätte.
Die weit älteren Gleise sind auch viel breiter (bis zu 180 cm). Und mehr zerrissen, verwittert, überdeckt …
Ich betrachte dies als eine “traurige Nachricht” – nämlich daß keine Arbeit von Spezialisten dazu erfolgt ist, nicht einmal der Schutz der Felsengleise als Dokumente der menschlichen Vergangenheit begonnen wurde.
Gute Einführung: Die unerklärten Felsengleise – sowie hier neue Fakten: Felsengleise – einige Neuzugänge
Und nun doch: weitere Entdeckungen von Felsengleisen:
Nachdem ich in meinem Artikel von 2016 über weitere Entdeckungen von Gleisen berichtete, daß auch auf Sardinien solche Zeugnisse gefunden wurden (durch Hartwig Hausdorf veröffentlicht), sowie durch Gianni Careddu vom 19. Mai 2012, (veröffentlicht in wikimedia commons), sah ich jetzt ein Video mit fantastisch schönen Aufnahmen von Sardinien, sowohl aus der Luft als auch direkt vom Boden, vergleichbar den Anlagen von Malta und Syrakus, auf YouTube, von Uwe Schneider im März 2019. Die Anlage bei Porto Torres im Norden der Insel ist verblüffend, wie ein Rangierbahnhof; dazu auch Gleise bei Villa San Antonio im Inneren der Insel, in Kalkstein wie auch in Tuff (!); und nirgends Trittspuren der Zugtiere, wie üblich …
Wenn jetzt noch immer kein staatlicher Archäologe das Wort ergreift, dann liegt irgendwo Dummheit vor.
Uwe Schneider hat auch auf Video neue Fundstellen in Frankreich und Spanien vorgestellt, sehr sehenswert! Ich habe sie hier ebenfalls kurz aufgelistet.
Aufruf zur Rettung von zwei Cairns in Maulbronn
Walter Haug meldet, daß zwei der vorgeschichtlichen Cairns im Kraichgau, die sich in einem Steinbruch am Ortsrand von Maulbronn befinden, in Gefahr stehen, als Mülldeponie mißbraucht zu werden. Er hat eine Initiative zur Rettung eingeleitet und erwartet Mithilfe durch die Bevölkerung. Seine Dokumentation ist kurz aber deutlich, bitte anzuschauen!
Zu Dante gibt es immer noch Nachträge! Hier der Neueste: Exkurs zur Datierung von Dantes Lebenszeit
Einer unserer Leser gab mir den Hinweis, daß auf der Seite des Forums “Geschichte und Chronologie”, die ich vor vielen Jahren mit Eugen Gabowitsch begonnen hatte, unter dem Datum 23. 9. 2020 (also brandneu) ein Beitrag von Wolf Odinson erscheint. Er hat eines der weniger bekannten Bücher von Edwin Johnson ins Deutsche übersetzt :
Der Aufstieg der englischen Kultur
Erster Teil; des weiteren die Paulinischen Episteln (von mir 2001 besprochen).
Die Übersetzung dieser wichtigen Schriften Johnsons ist hochwillkommen und wird dankbar begrüßt! Das beigegebene Vorwort des Übersetzers ist ebenfalls lesenswert!
Das Buch ist bei Odinson käuflich zu erwerben, kann aber auch vollständig runtergeladen werden, hier der Link:
https://de.geschichte-chronologie.de/index.php/laender-und-voelker/europa/152-edwin-johnson-der-aufstieg-der-englischen-kultur-die-paulusbriefe.
Weiterlesen hier: Hinweise zu Johnsons “Aufstieg der englischen Kultur“
Im Archiv sind die öffentlichen Artikel zur Chronologiekritik von Uwe Topper und Kollegen zum allgemeinen Gebrauch freigestellt.
Das Neueste im Folgejahr 2021 ist hier.