Dr. Gert Meier – ein Nachruf

Zur Erinnerung an Dr. Gert Meier (Kassel 1937 – Köln 2019) – ein Nachruf von Uwe Topper.

Gerade erfuhr ich, daß der Privatgelehrte (er legte Wert auf diese Bezeichnung) Dr. Gert Meier am 29. Januar 2019 plötzlich und friedlich gestorben ist. Als Freund, Mitarbeiter sowie auch Diskussionsgegner möchte ich hier meinen Dank mit einem gefaßten Nachruf abstatten.
Wir haben manche Reise zur Kenntnis der westeuropäischen Frühgeschichte zwischen Lissabon und Breslau gemeinsam unternommen, viele Ausgrabungen und Museen durchmessen, manchen Bratenteller und einige Weißweinflaschen geleert, gemeinsam kulturelle Tagungen besucht und Vorträge gehalten, gemeinsam ein Buch geschrieben (“Odilienberg”) und so manchen Strauß gefochten, wenn es um Chronologie ging.

Dr. Gert Meier war ein großzügiger Mensch, ein treuer Freund, tätig als Förderer, Mäzen und Vorkämpfer in Sachen Frühgeschichte, Mythos und Sprachforschung. Seine Vorträge hielt er in scharfer Sprache, reichlich mit Humor gespickt und immer zum Punkt führend, ein Genuß für die Zuhörer. Als Jurist war er sehr erfolgreich und hat in Brüssel an europäischer Gesetzgebung mitgewirkt.

Eins seiner frühen Bücher, Die Wirklichkeit des Mythos (1990), hat mir einen neuen Zugang zur fast verschütteten Aussagekraft unserer religiösen Kunst gebracht. Er stellte seine Erkundung dem Werk von Kurt Hübner, Die Wahrheit des Mythos (1985), gegenüber und öffnet damit den Einblick in unser jetztzeitiges Sehen und Fühlen, demgegenüber die Mythenforschung der Vorgeschichtler und Ethnologen eher wie ein Herumstochern in Ruinen gleichkommt. Die beiden Christträger, Christophorus und Maria mit dem Kind, haben ihre eigene Wirklichkeit, sie wirken immerzu. “Die Intensitätsskala, die die Verbreitung der einzelnen Symbole, ihre Formenvielfalt und die Häufigkeit ihres Vorkommens beobachtet und festhält, läßt unschwer die Bedeutung ablesen, die die hinter diesen Symbolen stehenden Vorstellungen für das Denken und Verhalten des Menschen besitzen.” (S. 133)

(Foto: Uwe Topper 2001)

Seine geistige Herkunft und Grundlage hat Meier in seinen Büchern immer offengelegt. In Die Hochkultur der Megalithzeit (1997) hat er am Schluß Portraits von 13 wegweisenden Autoren vorgestellt, von denen ich drei herausheben will:
Richard Fester, Begründer der neueren Spracharchäologie, dessen umfassende weltweite Sprachkenntnisse Gert Meier besonders eingängig erschienen, nicht zuletzt weil er mit seinem eigenen reichen Sprachenschatz die Gedanken Festers bezüglich einer Ursprache der eiszeitlichen Menschen gut nachvollziehen konnte;
Jürgen Spanuth, den Entdecker der bronzezeitlichen Hauptstadt von Atlantis in der Nordsee;
und Herman Wirth, Begründer der Sinnbildarchäologie, der mit seinem unerschöpflichen Vorrat an Deutungen der Felsbilder im Sinne einer weltweit verbreiteten geistigen Kulturform und Grundform der Schrift viele Nachfolger inspiriert hat, deren dokumentarische Arbeiten (besonders die von Renate von Lamezan) von außerordentlichem Wert sind. In dem genannten Werk von 1997 (S. 123 f) hat Meier seine Kritik an Wirths Unzulänglichkeiten scharf zum Ausdruck gebacht.

Gert Meier hat das Überdauernde dieser Forscher – er hat hier auch Georges Dumezil und Dominik Wölfel genannt – aus der Versenkung, in die sie zeitbedingt verdrängt waren, wieder hervorgeholt und ihre überzeitlichen Erkenntnisse herausgehoben und fortgesetzt. Weitere Namen tauchen zusätzlich in den Büchern auf: Wilhelm Teudt, Sibylle von Reden, Marie König und Thor Heyerdahl. Das ist den Jüngeren von Nutzen gewesen, auch wenn sich mancher nicht allen Folgerungen anschließen wollte.

Seine kritische Haltung gegenüber unserer Neuerkundung der Entstehung der gängigen Chronologie hat er in einem Artikel in Efodon-Synesis zum Ausdruck gebracht. Sie bestand nicht in grundsätzlicher Ablehnung sondern eher in Kritik an Details, die tatsächlich verbesserungswürdig sind. Andererseits hatte ich – und mancher Mitarbeiter – den Überlegungen von Gert Meier nicht folgen können, wo es um so ungeklärte Theorien wie die Großsteinskulpturen (nach Frau Neumann-Gundrum) oder gar irrige Vorstellungen wie die von den Sternenstraßen (nach Heinz Kaminski) ging. Seine Begeisterung für die Nebrascheibe konnte ich sehr gut nachvollziehen – schließlich sind wir beide überzeugt, daß die frühmetallzeitlichen Menschen in Europa eine ausgefeilte Kalendertechnik und Sternkenntnis besaßen, – aber daß es sich bei dieser Scheibe schlicht um eine Fälschung handeln dürfte, war ihm keine Warnung.

So war er auch aufgrund seiner Begeisterungsfähigkeit nicht immer skeptisch genug, um ungesicherte Funde – seien es amerikanische Runentexte oder die Glozel-Fragmente – als das zu erkennen, was sie waren: romantische Fälschungen.
Wie der Leser schon sieht, habe ich hier nicht vor, dem verstorbenen Freund ein Denkmal zu setzen – das werden andere tun, denn er hatte viele Bewunderer – sondern in wenigen Worten abzugrenzen, wo Meiers Verdienste liegen und wo wir sein Werk weiterbenützen können.

Dieses Werk ist angesichts dessen, daß Meier das Allermeiste selbständig erforscht und erkundet hat, erstaunlich umfangreich und weitgreifend. Von den frühesten Anfängen der Großsteinkultur über die Metallzeitalter bis hin zur Slawenentstehung hat er eine große Linie verfolgt, die sein Lebenswerk mit vielen Adern durchzieht. Gebiete, die Spezialwissen erfordern, wie zum Beispiel Kartographie oder Segeltechnik, hat er seinem langjährigen Mitautor Hermann Zschweigert überlassen, auch Max Seurig sowie meine Wenigkeit durften Teile beitragen. Zwei weitere Mitarbeiter an seinem großen Werk Die deutsche Frühzeit war ganz anders (1999) hat er (2003, S. 133) benannt: Günter Hamm und Werner Petri.

Besonderer Dank gebührt auch seiner Mitarbeiterin und Lebensgefährtin der letzten beiden Jahrzehnte, Frau Elke Moll, die ihn auf vielen Reisen begleitet hat und eigene Untersuchungen zu unserer Thematik veröffentlichte.
Wenn er auch freimütig andere Autoren zur Mitarbeit bat und verschiedene Arbeitskreise mit gemeinsamer Forschung anregte, so waren doch die Hauptgedanken in allen seinen Büchern grundsätzlich seine eigenen; sie drücken der weiteren Forschung ihren Stempel auf. Das folgende Zitat (aus 1997, S. 126) schafft in bündiger Weise Klarheit: “Die Megalithreligion war, wie ihre Verbreitung zeigt, eine Weltreligion. Sie besitzt eine längere Geschichte als die christliche, die im Grunde nichts anderes als eine Nachfolgereligion ist.”

In diesem Sinne hat er unter anderem die Bedeutung der “Christusmythe” von Arthur Drews (1910 und 1911) hervorgehoben und durch Kopien unter Freunden verbreitet. Von den Kollegen, deren große Bedeutung für die Arbeit er betonte, möchte ich einen nicht unerwähnt lassen: Wolfram Zarnack aus Göttingen.

In einem Vortrag vor unserem Geschichtssalon in Potsdam am 14. 3. 2004 brachte Meier Einblicke in die geodätischen Liniensysteme von Teudt, Machalett, Guichard, Kaminski, und anderen. Dabei erklärte er auch einen möglichen Sinn und Anlaß der Systeme: sinngebend dürfte die Beobachtung der Bewegung der Himmelskörper gewesen sein, Anlaß die systematischen Wiederbevölkerungsmaßnahmen nach den Katastrophen, wobei er sich direkt auf Platon und mein Buch Zeitfälschung (2003), das gerade erschienen war, bezog.

Gert Meier (Foto: Stefan Hövel, 2018)

Die frühen Bücher, die seinen Ruf als unabhängigen und kenntnisreichen Forscher begründeten, waren im Verlag Haupt (Bern und Stuttgart) herausgekommen, alle weiteren ab 1997 verlegte Grabert in Tübingen, in dessen Verlag so berühmte und diskutierte Autoren wie Sigrid Hunke, Britta Verhagen, Jürgen Spanuth und Horken erschienen waren.
Ungeachtet seiner vielfachen Reisen und guten Kenntnisse fremder Sprachen und Länder (abgesehen von Europa auch von Kanada bis Brasilien und Südafrika) war er doch immer bodenständig, der Heimatforschung zugetan, und hier besonders den Externsteinen und dem Leistruper Wald, sowie auch dem Rheinland von Köln bis Basel. So entstand Das Geheimnis des Elsaß (2003) wie ein ausgedehnter Spaziergang über den Odilienberg, auf dem uns nicht nur die unfaßbare Riesenmauer (“Heidenmauer”) sondern auch unsere Unkenntnis der Hintergründe und der ehemaligen Bautechnik sowie die Vermessungskunst jener Menschen gefangennahm. Wie kommt es, daß wir nur bruchstückweise ahnen können, was unsere Vorfahren hier geplant und gebaut haben?

Die Vorstellung von Katastrophen in frühgeschichtlicher und geschichtlicher Zeit gehört grundlegend zu seinem Weltbild. Die Verwendung von astronomischen und kalendarischen Anlagen dürfte schon in megalithischer Zeit den Zweck gehabt haben, vor neuerlichen Katastrophen zu warnen oder deren astronomisches Ausmaß in monumentaler Weise festzuhalten.

Zu den Cairns oder keltischen Monumentalbauten, die Walter Haug im Kraichgau (und von dort ausgehend immer weitere Kreise ziehend) entdeckt hatte, äußerte sich Gert Meier zunächst skeptisch, ja ablehnend – meine Begeisterung dämpfte er mit kühlen Einwänden. Nachdem ich ihn und andere Teilnehmer einer Tagung darauf aufmerksam gemacht hatte, daß ein gewaltiger Cairn von der Art keltischer Bauwerke nahe den Externsteinen, der Bärenstein, einen ebensolchen Eindruck macht – immerhin hatten wir fünf Vertiefungen, die auf eingebrochene Hohlräume schließen ließen, und mögliche Eingänge entdeckt – organisierte Gert Meier ein Treffen mit zwei Verantwortlichen (Denkmalschutz und Landesmuseum) sowie mit dem Juristen Jürgen Mische, mit Walter Haug und mir am Bärenstein und versuchte, die Sache zu klären und den Schutz des Bauwerks anzuregen. Ergebnislos. Es handele sich um Ablagerungen der Eiszeitgletscher, hieß es seitens der Verantwortlichen.
Gert Meier zeigte sich seitdem offen für die neuen Funde und daraus resultierenden Folgerungen und erkannte die Bedeutung dieses Phänomens keltischer Großbauten in Deutschland, die neben den französischen durchaus bestehen können.

In allen Schriften und Vorträgen hat Gert Meier die dominierende Stellung der Frau in der frühen Geschichte herausgestrichen und dies mit augenfälligen Beispielen belegt. Die Mütterberge und die Steinaltäre mit den Drei Bethen waren ihm Kernzeugnisse unserer Hochkultur. Auf diesem Forschungsweg war er tonangebend, und dies ist eins seiner schönsten Vermächtnisse, das ich der kommenden Forschergeneration ans Herz legen möchte.

Ein unermeßlich reichhaltiges Gelehrtenleben ist zu Ende gegangen. Hätten wir nicht seine Bücher und Schriften, die er hinterließ – wir müßten trauern über den Verlust.

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Bibliographie Dr. Gert Meier

(1988): Im Anfang war das Wort: Die Spracharchäologie als neue Disziplin der Geisteswissenschaften (Bern und Stuttgart: Haupt)
(1991): Und das Wort ward Schrift: von der Spracharchäologie zur Archäologie der Ideogramme; ein Beitrag zur Entstehung des Alphabets (Bern und Stuttgart: Haup
(1990): Die Wirklichkeit des Mythos (Bern und Stuttgart: Haupt)
(1992): Wer war Daidalos? (Bern und Stuttgart: Haupt)
(1992): Die vier Rätsel von Bentheim (Bad Bentheim)
(1997): Die Hochkultur der Megalithzeit: Verschwiegene Zeugnisse aus Europas großer Vergangenheit. Mitautor Hermann Zschweigert (Tübingen)
(1999): Die deutsche Frühzeit war ganz anders: Bahnbrechende Erkenntnisse revidieren das Bild der deutschen Vorgeschichte. Mitautor Hermann Zschweigert (Tübingen)
(2001): Das Ende der D-Mark: Vision oder Wahn. Broschiert, Mitautor Elke Moll
(2003): Meier, Gert; Topper, Uwe und Zschweigert, Hermann: Das Geheimnis des Elsaß. Was geschah damals am Odilienberg? (Tübingen)
(2004): Gert Meier, Die astronomischen Anlagen auf den Sternenstraßen – Himmelsbeobachtung zur Orientierungshilfe oder Vorwarnung vor Himmelskörpern? In: Ur-Europa-Jahrbuch 2004
(2006): Studien zur Vor- und Frühgeschichte Alteuropas. Vorgeschichte, Katastrophenforschung, Indoeuropäer.

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